Einer schönsten Spielplätze in Roden
(von Walter Schmolenzky)
In den Wintermonaten, häufig in der Weihnachtszeit, traten Ellbach und Saar über ihre Ufer und überschwemmten die Saarwiesen. In manchen Jahren stand das Hochwasser auf den Grundstücken und in den Kellern der Häuser auf der linken Straßenseite in der Herrenstraße. Vom Stallgebäude, im sogenannten „Tulle Loch,“ ragte dann nur noch das Dach heraus. „Zimmer Hänschen“, der dort zusammen mit einer Frau hauste, die man „Päther Kluttchen“ nannte, mussten ausquartiert werden. Es konnte passieren, dass das Wasser über Nacht so anstieg, dass sich die beiden nur noch auf das Dach retten konnten. Morgens saßen sie dann schreiend und winkend auf dem Scheunendach und mussten mit einem Kahn in Sicherheit gebracht werden. Die Rettungsaktion war immer ein großes Spektakel, an dem das halbe Dorf teilnahm. Im Dorf wurde gemunkelt, die beiden würden Hunde schlachten und essen. Ob sietatsächlich Hunde geschlachtet und gegessen haben, wusste schon damals niemand so genau. Jedenfalls hatten wir Kinder große Angst vor ihnen und machten um das „Tulle Loch“ einen weiten Bogen. Vermutlich war unsere Angst völlig unbegründet und den beiden bedauernswerten Menschen wurde bitter Unrecht getan.
Ging das Hochwasser zurück und es war ein strenger Winter, was in jenen Jahren häufig der Fall war, bildeten sich in Senken und Mulden herrliche Eisflächen, auf denen wir Schlittschuh liefen oder unsere Schleimer (Eisbahn) zogen. So schön unser Spielplatz auch war, er war aber auch gefährlich. In den Saarwiesen standen noch einige Westwallbunker. Zwar waren die meisten Bunker gesprengt und weitestgehend von Minen und Waffen geräumt; dennoch fanden wir noch reichlich Munition und Kriegsgerät, mit dem wir spielten und hantierten. Was wir alles mit dem gefundenen Material anstellten, möchte ich hier nicht näher ausführen.
Nur soviel:
„Wir Kinder müssen die besten Schutzengel gehabt haben und das Gebet mancher Mutter, ihr Kind möge wieder heil und unversehrt vom Spielen in den Wiesen nach Hause kommen, muss gehört worden sein“.
Wenn ich heute, nach so vielen Jahren, die Kindheit ist lange vorbei, durch die Burrgass gehe, erinnert nur noch wenig an einen der schönsten Spielplätze in Roden. Der Ellbach, früher an einigen Stellen tief und breit, seine Ufer mit hohen Weiden und Pappeln gesäumt, ist heute kanalisiert und nur noch ein Rinnsal. Der Borren mit den Wasserläufen, die blühenden Wiesen im Sommer, alles verschwunden. Nur „Tulles Loch“ und einige Senken und Mulden, in denen sich im Winter die Eisflächen bildeten, sowie ein paar kümmerliche Schilfzonen sind noch vorhanden. Der Brühlgraben verrohrt und nicht mehr zu sehen. Weit im Norden, an der Vogelspitze, befindet sich heute die Autobahnbrücke. Hier, wo die Saar in ihrem begradigtem Bett, zwischen baumlosen Ufern traurig und still hindurch fließt, endet mein Spaziergang.
Anmerkung:
Beim Brühlgraben, der in der Dorfsprache „Brillengrawen“ genannt wurde, handelte es sich um den Hauptentwässerungsgraben, der die vielen kleineren Wassergräben in den Wiesen aufnahm und an einigen Stellen bis zu einem Meter tief und breit war. Er führte u. a. durch die Schrebergärten und wurde dort an manchen Stellen gestaut, um Gießwasser zu erhalten. In Höhe des Wiesengewannes „Pontacker“ floß erschließlich in die Saar. Hier war der Laichplatz und die Kinderstube für die Fische aus der Saar. „Brühl“, bedeutet feuchte, nasse Wiesen, daher die Bezeichnung Brühlgraben.
„Vogelspitze“, (in der Dorfsprache „Vuhlsschpetz“) ist eine alte Flurbezeichnung für eine dreieckige Wiesenparzelle, die sich an der heutigen Autobahnbrücke über die Saar befand.
„Pontacker“, Flurbezeichnung. Auf dieser Wiesenflur wurden die Pontons/Saarkähne/Nachen abgestellt.