Vortrag „von der Volksbefragung zur kleinen Wiedervereinigung“

Im Herbst 1955 war die Stimmung im Saarland äußerst angespannt. Die Grenze zwischen Ja und Nein Sagern verlief mitten durch Dörfer, Familien und Gesellschaft. Es ging darum wohin wollte man? Das Saarland war wirtschaftlich an Frankreich angeschlossen. Es hatte ein eigenes Staatswesen unter französischem Einfluss.
Es stellte sich die Frage ob das Saarland einen europäischen Sonderstatus, das sogenannte „Saarstatut“, erhalten sollte? Das von Frankreich und Deutschland ausgehandelte Abkommen würde die Saar zu einer eigenständigen, europäischen Region machen, entmilitarisiert und unter der Aufsicht eines europäischen Kommissars. Die einen sahen in der Entscheidung einen Weg in eine friedliche, europäische Zukunft, für die anderen war es die endgültige Loslösung vom deutschen Vaterland.
Der Wahlkampf spaltete das Land. Auf der einen Seite die Befürworter des Statuts, die „Ja-Sager“, die von Ministerpräsident Johannes Hoffmann angeführt wurden. Das waren die regierende CVP und SPS. Sie wollten eine Europäisierung und keinen Nationalismus.
Ihnen gegenüber stand der „Heimatbund eine entschlossene Opposition ist die Stimme der „Nein-Sager“. Diese Allianz aus der Deutschen Sozialdemokratischen Partei (DSP) unter Kurt Conrad, der Christlich-Demokratischen Union (CDU) mit Hubert Ney und vor allem der Demokratischen Partei Saar (DPS) mit dem Vorkämpfer Heinrich Schneider ist die Stimme der Nein-Sager. Für diese ist das Saarstatut nichts anderes als die Festschreibung der Trennung von Deutschland. Sie wollten zurück nach Deutschland.
Erst 3-Monate vor der Abstimmung wurden sie offiziell zugelassen. Als am 23. Oktober 1955 nach Schließung der Wahllokale stand fest, daß 67,7 Prozent der Saarländer mit Nein gestimmt hatten. Damit war das Saarstatut gescheitert.
Ministerpräsident Johannes Hoffmann tritt noch in der Nacht der Abstimmung zurück. Die Saarländer wollen keine Sonderrolle in Europa. Sie wollen zurück in die deutsche Staatengemeinschaft.
Der Weg zur „kleinen Wiedervereinigung“ Das klare „Nein“ der Saarländer war der Wegbereiter. Alle Beteiligten – Frankreich, Deutschland und die saarländischen Politiker – mussten, da das Saarstatut keine Regelung für den Fall der Ablehnung erhielt, zurück an den Verhandlungstisch. Diese führten schließlich zum Luxemburger Vertrag, der den politischen Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik zum 1.1.1957 vorsah.
Dafür machte die Bundesrepublik Frankreich weitreichende Zugeständnissen wie Mitfinanzierung der Moselkanalisierung, großzügige Nutzungsrechte an den saarländischen Kohlevorkommen. Der wirtschaftliche Anschluss an die Bundesrepublik sollte erst nach einer mehrjährigen Übergangszeit erfolgen.
Am 1. Januar 1957 nach der denkwürdigen Volksbefragung, war es dann endlich so weit: Im Rahmen der „kleinen Wiedervereinigung“ wurde das Saarland offiziell das zehnte Bundesland der Bundesrepublik Deutschland. Die wirtschaftliche Angliederung, insbesondere die Einführung der D-Mark, folgte erst am 06.07.1959.
Doch die Rückgliederung brachte auch harte Einschnitte mit sich. Für die Saarländer vollzog sich die Rückgliederung allerdings längst nicht in allen Beziehungen als vorteilhaft. Die hohen, an das französische System angelehnten Sozialstandards mussten den eher leistungsbezogenen Standards der Bundesrepublik weichen.
Viele saarländische Betriebe, geschützt in ihrem bisherigen Markt, waren dem plötzlichen Wettbewerb mit der starken deutschen Industrie nicht gewachsen. Trotz Investitionshilfen und Steuernachlässen mussten über 100 Unternehmen für immer ihre Tore schließen.