Mein erster Schultag: Eine Reise in den September 1968
Der 1. September 1968 ist ein Datum, das sich mir unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt hat – der Tag meiner Einschulung. Auch nach all den Jahren sind die Bilder dieses Tages in meiner Erinnerung so lebhaft und klar, als wäre es erst gestern gewesen.
Die Aufregung am Morgen war kaum in Worte zu fassen. Für den großen Auftritt war ich mit einer klassischen, sorgfältig ausgewählten Kleidung ausgestattet: Ich trug einen hellblauen Pullover mit kurzen Armen, dazu eine kurze braune Hose, hellblaue Kniestrümpfe und nagelneue braune Halbschuhe, die bei jedem Schritt auf dem Boden knarrten. An meiner Seite hing mein allererstes und wichtigstes Accessoire: ein brauner Schulranzen. In ihm befanden sich die Schätze, die fortan meinen Alltag prägen sollten – ein Lesebuch, das noch nach neuem Papier roch, eine Griffeldose mit den ersten Stiften und eine Schiefertafel mit feinen Linien, auf der ich das Schreiben lernen würde.
Doch der unbestrittene Star des Tages war die riesengroße Schultüte in meinen Armen. Sie war ein Meisterwerk in glänzendem Gold und Blau, geheimnisvoll und verlockend zugleich. Die Vorfreude auf ihren Inhalt war kaum auszuhalten, doch die strenge Regel lautete: Sie durfte erst geöffnet werden, wenn wir wieder sicher zu Hause waren. Diese Geduldsprobe war wohl meine erste kleine schulische Lektion.
Damals, in Roden, war das Schulsystem noch streng nach Geschlechtern getrennt. Während wir Jungen die Römerbergschule besuchten, gingen die Mädchen in die Donatusschule.
Unser Jahrgang war außergewöhnlich stark, sodass jede erste Klasse stolze 30 Schüler zählte. Unser Klassenlehrer, Herr Delles, erwies sich gleich am ersten Tag als einfühlsamer Pädagoge. Um die Herausforderung zu meistern, sich all unsere Namen einzuprägen, startete er ein kleines Namensspiel mit uns. Das lockerte die angespannte Atmosphäre auf und ließ uns erste Hemmungen abbauen. Den Abschluss dieses aufregenden Tages bildete eine vorgetragene Geschichte aus seinem Mund, die uns gebannt zuhören ließ.
Unser Weg zur Schule und zurück war ein täglicher Fußmarsch, den wir selbständig zurücklegten. Diese Gänge durch das Dorf, oft in kleinen Gruppen mit anderen Kindern, waren fester Bestandteil des Tages und ein Stück früher Unabhängigkeit.
Dieser erste Schultag war nicht nur der Beginn meiner Schulbildung, sondern auch ein lebendiges Stück Zeitgeschichte, das die Werte und Gepflogenheiten einer vergangenen Ära widerspiegelt.