KATHARINA KEST – DIE LETZTE SCHLOSSHERRIN IN DILLINGEN

AUTOR: Josef Theobald

In einem Prolog zu einer saarländischen Sage heißt es: „Die Fürstin
Katharina von Nassau-Saarbrücken, als welche sie in Saarbrücken
vollkommen anerkannt und tituliert worden ist, der das Volk den po-
pulären Namen des ‚Gänsegretel’s von Fechingen‘ gegeben hat, war
von einfacher, ja dörflicher Herkunft und stammte aus der Familie Kest
(Köst) von Fechingen. In ihrer Jugend war ihr von einer Zigeunerin ge-
weissagt worden, dass sie einmal einen Witwer heiraten würde, der sie
zur ersten Frau im Lande machen würde.“ [1]

Nachdem die Burg in Dillingen mehrmals den Besitzer wechselte, erwarb
1798 Fürst Ludwig von Nassau-Saarbrücken für 225.000,– Franken das
Schloss und ließ dieses nach den Plänen seines Baumeisters Balthasar
Wilhelm Stengel von dem Werkmeister Johann Adam Knipper wiederher-
stellen, die Herrschaft zum Herzogtum erheben und schenkte es seiner
zweiten Frau, der Katharina Margarethe Kest von Fechingen, seit 1783
Reichsgräfin von Ottweiler. [2]

In der Historie der Grafen und Fürsten von Nassau-Saarbrücken steht
Fürst Ludwig (1768-1793) in der Bedeutung hinter seinem Vater Fürst
Wilhelm Heinrich. Er habe sich in der Hauptsache darauf beschränkt,
das spielerische Dasein eines Rokokofürsten zu genießen, sich an
Jagd, Theater und Soldatenspielerei ergötzend und das Regieren
im wesentlichen seinen Räten überlassend. Während seiner Zeit
wurde die Arrondierung der Grafschaft Saarbrücken weitergeführt.
Auch war Fürst Ludwig der letzte regierende Herrscher. Vor den
Wirren der Französischen Revolution fliehend, starb dieser am
2. März 1794 in Aschaffenburg. [3]

Die Beliebtheit, die also dem Fürsten Ludwig fehlte, brachte die
zweite Frau Katharina Margarethe Kest mit. Georg Baltzer hat
in seinem Buch „Historische Notizen über die Stadt Saarlouis
und deren unmittelbare Umgegend“ eine kleine Biographie
angefügt: „Sie war geboren zu Fechingen am 1. März 1757,
stammte aus armer und niederer Familie, hatte späterhin ei-
nige Bildung erhalten und wusste sich in höheren Kreisen mit
solchem Anstand zu benehmen, dass ihr früherer Stand nicht
bemerkbar war. Katharina zeigte viele Bescheidenheit und Gut-
mütigkeit in ihrem Charakter, mischte sich nicht in Regierungs-
angelegenheiten und suchte nur dem Fürsten zu leben. Bereits
im Jahre 1781 versicherte der Fürst für seine mit ihr erzeugten
Kinder eine Summe von 70,000 Gulden auf der Rentkammer zu
Saarbrücken, wovon sie alljährlich die Zinsen mit 3500 Gulden
zu beziehen hatte und schenkte ihr in der Folge die Herrschaft
Dillingen, die zwar in der Revolutionszeit sequestiert, aber wie-
der zurückgegeben und von ihr verkauft wurde. Die Verhältnisse
ihrer sieben Kinder übergehen wir, da die Söhne ohne Nachkom-
men verstorben sind; sie führten den Titel: Herzöge von Dillingen
und Reichsgrafen von Ottweiler. Katharina selbst starb zu Mann-
heim am 11. Dezember 1829 in ihrem 72. Lebensjahr.“ [4]
Wie kam es zu dieser Heirat? Man kann heute nur darüber
spekulieren. Fürst Ludwig von Nassau-Saarbrücken gehörte
als Freimaurer der St. Heinrichs-Loge in Saarbrücken an und
muss daher als ein freisinniger Herrscher gegolten haben, bei
dem es kaum gesellschaftliche Schranken gegeben hat. Er ließ
sich in seiner Regierung weitgehend von dem Gedankengut der
Aufklärung bestimmen und gehörte noch weiteren Logen an. [5]
Vielleicht war es daher die einfache Art von Katharina, die ihn an
diese Person band. Sie war eben eine für damalige Verhältnisse
außergewöhnliche Frau.

Dadurch, dass Wilhelm Marzloff von Braubach, Patron zu Dillingen
und Wallerfangen, Rat des Herzogs von Lothringen, Präsident der
Assisen zu Wallerfangen und Gouverneur der Festung Wallerfangen,
seit 1591 auch als Grundherr von Roden gelten kann, ist das Schick-
sal mit der Burg in Dillingen eng verknüpft. So hat die alte Familien-
tradition überlebt, dass Vorfahren von mir im Dienst der Herzogin
standen und daher eine Parzelle des Anwesens auf dem Gelände
des alten Rodener Schlosses zu Wohnzwecken geschenkt bekamen,
wie Herzogin Katharina von Dillingen auch 1806 (1808) ihren Besitz
(1600 Morgen Wald und 400 Morgen Gärten, Äcker und Wiesen) an
die Dillinger Hütte zu Wohnzwecken verkaufte. [6]

Heute ergibt sich die Schwierigkeit, diese Schenkung nachzuweisen.
Einen Anhaltspunkt gäbe das Katasterwesen. Nach Recherchen im
Internet ergäbe sich für Frankreich in der fraglichen Periode folgende
Entwicklung:

„Auf Grund des Gesetzes vom 15. September 1807, welches der
Ursprung des französischen Parzellenkatasters ist, arbeitete eine
Kommission von neun Mitgliedern unter dem Vorsitz des Mathe-
matikers Delambre, ständigem Sekretär der Akademie der Wissen-
schaften, die Grundsätze aus, nach denen das Parzellenkataster
ausgeführt werden sollte und die zum Edikt vom 27. Januar 1808
führten. Dem Edikt, welches die Grundsätze genehmigte, folgte die
dazu gehörige Generalinstruktion vom 20. April 1808. Die zur Aus-
führung der Arbeiten ergangenen Gesetze, Verordnungen und In-
struktionen wurden vom Finanzminister im Jahre 1811 als „Receuil
méthodique des Lois, décrets, règlements, instrucrions et décisions
sur la Cadastre de la France; approuvé par le ministre des finances“
(Es war eine Umarbeitung der fünf Bände der „Collection des lois sur
le Cadastre de France“) herausgegeben, einem Werk, an dem zwölf
Generalinspektoren des Katasters mitwirkten, mit nicht weniger als
1’444 Artikeln auf rund 400 Seiten, aus dem einzelne Bestimmungen
wörtlich, andere verbessert in die Anweisung VIII vom 25. Oktober
1881 übernommen worden sind.

Nach dem Receuil méthodique wurden die Arbeiten bis zum Jahre
1813 fortgesetzt. Der Wert war unterschiedlich, am besten im Rhein-
und Moseldepartement und an der Saar.“ (nach Helmuth von Strombeck,
Hamburg)

So müssten erfolgversprechende Nachforschungen in Nancy, also in
der Hauptstadt der Region Lothringen, erfolgen.

Was die Bewirtschaftung ihrer Grundherrschaft angeht,
gingen einige
Grundherren dazu über, diese an kapital-
kräftige Herren zu verpachten,
die meist die großen
Flächen kommerziell ausbeuteten und dafür sehr
hohe
Abgaben, 1/3 bis die Hälfte der Ernte, entrichteten.
Also kamen
kleine Bauern als Pächter kaum in Frage.
[7] Während der Jahre der
Französischen Revolution
verpachtete der Staat die unter Sequester
stehenden
Grundherrschaften. [8]

ANMERKUNGEN
[1] Karl Lohmeyer, Die Sagen der Saar von ihren Quellen bis zur
Mündung, Minerva-Verlag Thinnes & Nolte, Nachdruck, Saarbrücken
1989, Seite 145.
[2] Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes, Band 1, Minerva-
Verlag Thinnes & Nolte, Saarbrücken 1978, Seite 150.
[3] Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes, Band 2, Selbst-
verlag des Historischen Vereins für die Saargegend e. V., Saar-
brücken 1977, Seite 313/14.
[4] Nachdruck der Ausgabe von 1865, Queißer Buchhandels- und
Verlagsgesellschaft, Dillingen 1979, Anhang: Seite 151.
[5] wie [2], Anmerkung zur Bildtafel „Abb. 42“. Freimaurer m.:
Angehöriger einer übernationalen Gemeinschaft mit humanitärer
Zielstellung (18. Jh.). Der in England gegründete Geheimbund
bedient sich der Symbole und Bräuche mittelalterlicher Bauhüt-
ten, aus denen sich der Name herleitet, engl. freemason, frz.
franc-macon… (Etymologisches Wörterbuch der Deutschen, EDITION
KRÄMER, Akademie Verlag GmbH, Berlin 2010, Seite 372)
[6] wie [2], jedoch die Seite 149/50.
[7] DER ADEL VOR DER REVOLUTION, Eberhard Weis, Der französische
Adel im 18. Jahrhundert, Kleine Vandenhoeck-Reihe, Göttingen 1971,
Seite 36. „Albert Soboul … beziffert an Hand einer Anzahl neuerer
Einzelforschungen die Belastung durch die grundherrschaftlichen
Abgaben für die Bauern auf etwa 2 bis 20 % des Reinertrages der
Ernte, zu denen jedoch noch der Kirchenzehent, die Steuern und
die, allerdings meist niedrigen, Umlagen für die Gemeinde kamen.“
(Seite 40)
[8] Georg Baltzer, Historische Notizen über die Stadt Saarlouis
und deren unmittelbare Umgegend, Nachdruck der Ausgabe von 1865,
Queißer Buchhandels- und Verlagsgesellschaft, Dillingen 1979, An-
hang: Seite 152.