DER JÜDISCHE FRIEDHOF

AUTOR: Josef Theobald

Bevor wir näher in das Thema einsteigen, zunächst einmal eine
Abgrenzung zwischen Juden- und Christentum.

Die Christen glauben an die Unsterblichkeit der Seele und an das 
Jüngste Gericht (Römer 14,9+10).

Die Juden dagegen glauben, dass der Leib verfault und auch von
Würmern verzehrt wird. Dennoch wird er vom Tode auferstehen
am Ende der Tage, um Teil zu haben am Heil der Endzeit (Daniel
12,13 – Prof. Karl Marti, KURZER HAND-COMMENTAR ZUM AT,
DAS BUCH DANIEL, Verlag von J. C. B. Mohr, TÜBINGEN und
LEIPZIG 1901, Seite 92).

Nach dem Vorbild des Patriarchen Abraham sicherte man sich
schon früh einen Erbbesitz, der für die in der Ferne Wohnenden
auch die eigentliche Heimat darstellte (Josua 24,30; 1. Mose o.
Genesis 23,4 u. Nehemia 2,3). Im Lauf der Jahrhunderte hatte
die Form der Gräber mehrfache Wandlungen durchgemacht. So
treffen wir zunächst auf die natürliche Höhle, schließlich auf die
aus dem Fels gehauene Grabkammer und dann auf das über der
Erde aufgebaute Steinhaus, weiterhin auf den aus einer Kammer
bestehende Felsraum und die mehrzimmerige, ja mehrstöckige
Grabwohnung, außerdem das Denkmal des Einzelnen (Dr. Paul
Volz, DIE BIBLISCHEN ALTERTÜMER, Nachdruck der Ausgabe
von 1914 bei fourier, Seiten 326/7).

Der Begräbnisplatz, seit der griechischen Epoche das „ewige Haus“
genannt, wird aber seit dem 5. und 6. Jahrhundert „Haus (Stätte) des
Lebens“ genannt, einem Ausdruck, dessen man sich namentlich seit
dem Ende des siebzehnten Jahrhundert wieder bediente (Dr. Leopold
Zunz, Zur Geschichte und Literatur, Berlin 1845, Nachdruck bei Georg
Olms Verlag, Hildesheim – New York 1976, Seiten 442/3).

Die einzelnen Grabsteine dienten ursprünglich als Markierung der als
unrein verstandenen Grabstätten und als Schutz des Leichnams vor
wilden Tieren, kamen dabei jedoch immer mehr der Aufgabe nach, die
Erinnerung an den Verstorbenen für die folgenden Zeiten zu bewahren.

Bis weit in die Neuzeit fand auch bei deutschen Juden die Bestattung
unmittelbar am Todestag statt, wenn der Tod nicht an einem Sabbat
eintrat. Allerdings machte die im 19. Jahrhundert ausgelöste und po-
pulär zu nennende Diskussion zum Thema „Begräbnis Scheintoter“
diesem Brauch ein Ende.

Etwa seit dem 10. Jahrhundert scheint in Europa bei den jüdischen
Gemeinden die Anlage von kommunalen Friedhöfen allgemein als
üblich zu gelten. Die hohe Bedeutung, die man einem solchen Ort
beimaß, lässt sich allein daran ablesen, dass man sich vielerorts
beim Entstehen einer jüdischen Gemeinde zuerst um die Anlage
eines Friedhofs kümmerte und erst dann um die Errichtung einer
eigenen Synagoge. So werden die jüdischen Friedhöfe traditionell
außerhalb der Ansiedlungen angelegt. Hierbei wird auf eine Grab-
pflege, die als verletzende Störung der Totenruhe verstanden wird,
und auch auf Grabschmuck, den man als heidnische Opfergabe an-
sehen konnte, bis ins 19. Jahrhundert generell und bei traditionellen
Juden bis auf den heutigen Tag verzichtet.

Gewöhnlich werden die Verstorbenen auf jüdischen Friedhöfen in
Grabreihen nebeneinander in der Abfolge ihres Sterbedatums be-
stattet. Der Abstand der Gräber voneinander beträgt üblicherweise
mindestens sechs Handbreit. Rabbiner und andere Gemeindemit-
glieder mit besonderer Stellung setzt man an besonderen Orten
bei. Auf vielen alten Judenfriedhöfen wurden Männer und Frauen
in getrennten Reihen begraben.

Der Aufbau und die Gestaltung der jüdischen Grabinschriften richten
sich nach einem festgelegten Formular:

1. Begräbnisformel;
2. Eulogie (Lobsprüche);
3a. Titulatur und Name;
3b. Name des Vaters (bzw. Gatten und dessen Wohnort);
4. Sterbe- und Begräbnisdatum;
5. Schlussformel.

Ein Beispiel für eine Eulogie wäre der Spruch: „Seine Seele werde
gebündelt im Bündel des ewigen Lebens.“

Figürliche Darstellungen wie Hirsch, Adler, Löwe usw. lassen eben-
falls auf den Namen schließen. Abbildungen von segnenden Händen
als Zeichen aaronidischer Herkunft, Krug und Kanne als Zeichen le-
vitischer Herkunft weisen auf die Abstammung des Verstorbenen hin.
Auch einzelne Berufe werden durch ihr Charakteristikum bezeichnet:
der Kantor durch ein aufgeschlagenes Buch, der Apotheker durch die
Gewürzmühle, der Schneider durch die Schere (W. Walter, MEINEN
BUND HABE ICH MIT DIR GESCHLOSSEN <Jüdische Religion in
Fest, Gebet und Brauch>, Kösel-Verlag, München 1989, Seite 166).

Ebenfalls von hoher Bedeutung sind die Namen und Daten auf den
jüdischen Grabsteinen. Da in jüdischen Gemeinden zumeist keine
„Kirchenbücher“ geführt wurden, sind die vorhandenen Inschriften
mit ihren Angaben über den Toten, seinen Vater oder Gatten sowie
dessen Wohnort oft die einzig gegebene Möglichkeit, für die Zeit vor
der Errichtung von Standesämtern mit Sterberegistern und Familien-
büchern genealogische Zusammenhänge zu rekonstruieren.

Gräber der Kohanim, also der Nachfahren der Priester im Tempel
von Jerusalem, findet man meistens nahe der Friedhofsmauer, so
dass Angehörige der Verstorbenen dessen Grab besuchen können,
ohne dabei den Friedhof betreten zu müssen. Dies ergibt sich aus
der verunreinigenden Wirkung dieses Ortes für Priester.

Allerdings fehlen auf den Grabsteinen in der Regel Altersangaben
und Geburtsdaten der Toten. Die angegebenen Daten richten sich
traditionell nach dem jüdischen religiösen Kalender.

Auf jüdischen Friedhöfen werden Verstorbene regelmäßig dadurch
ausgezeichnet, dass man auf ihren Grabsteinen kleine Steinchen
niederlegt. Der eigentliche Ursprung dieses doch volkstümlichen
jüdischen Brauches, in dem ein vorbeugender Abwehrzauber zum
Vorschein kommt, ist heute nicht mehr geläufig; er wird vielmehr als
Ausdruck der Verehrung verstanden (Michael Tilly, Das Judentum,
Matrix Verlag GmbH, Wiesbaden 2007, Seiten 170 – 173).

Auch gibt es die Sitte, Grasballen auf das Grab oder auf den Grab-
stein zu werfen. Mit dem Gras will man sich gegen böse Geister und
Gespenster schützen können (Alfred J. Kolatsch, JÜDISCHE WELT
VERSTEHEN, Fourier Verlag GmbH, Wiesbaden 1996, Seite 88).

Die Juden zeigen stets großen Respekt vor ihren Toten. So betreten
die Männer den jüdischen Friedhof nur mit einer Kippa („Der Sinn der
Kippa als regelmäßige Kopfbedeckung liegt in der Internalisierung des
Bewusstseins darüber, dass stets das Göttliche über einem steht.“ –
Quelle: Rabbiner Gino Eliezer Gross, SCHALOM <Im Jahreskreis des
jüdischen Lebens>, EDITION TAU, Bad Sauerbrunn <A> 1995, Seite
191) oder mit einem Hut. Diese Regel gilt auch für den Kreis der nicht-
jüdischen Besucher (Quelle: WIKIPEDIA; Stichwort: Jüdischer Fried-
hof).

Im Jahre 1754 verkaufte Charles Francois Dieudonné de Tailfumyr,
ein Jude, seinen Eisenhammer und die Schmelze in Dillingen und
Bettingen an Gustav Adolph Caranté und erlaubte 1755 den Juden
Hayem und Zerf Worms und Elias Reutlinger von Saarlouis, gegen
einen jährlichen Zins von 24 lothringischen Francs, die an jedem St.
Georgentag zahlbar waren, im Dillinger Walde einen Judenkirchhof
zu gründen (Georg Baltzer, Historische Notizen über die Stadt Saar-
louis und deren unmittelbare Umgebung, Nachdruck der Ausgabe
von 1865, Queißer Buchhandels- und Verlagsgesellschaft, Dillingen
1979, Seiten 148/9).

Begleitliteratur

Dr. Salomon Ludwig Steinheim, Die Offenbarung nach dem Lehr-
begriff der Synagoge, 4 Bände, Altona 1865, Nachdruck bei Georg
Olms Verlag, Hildesheim – Zürich – New York 1986, hier besonders
der 4. Teil, die Zweite Abteilung, hiervon die Seiten 425 + 428.