(Walter Schmolenksky)
Ein untergegangener Industriezweig
Bis in die 1960-iger Jahre befand sich hinter der Häuserzeile der früheren Schnapsbrennerei Follmann und dem Rodener Vereinslokal Birtel in der Herrenstraße, auf dem Gelände der alten Lohmühle am Ellbach, die Ziegelei Ehl-Stein.
Das Betriebsgelände konnte seinerzeit sowohl von der Herrenstraße aus, über eine kleine Brücke am Ellbach, als auch von der heutigen Straße Zur Saarmühle erreicht werden. An der Brücke über den Ellbach stand ein kleines Bürogebäude, in dem sich die Stechuhren für die wenigen Betriebsangehörigen befanden. Zum Schichtbeginn und zum Schicht ende, sowie zu den Pausen für die Arbeiter, ertönte ein weithin hörbarer Sirenenton. Viele Bauern richteten auch ihr Tagwerk in Wiesen und Feldern nach der Sirene aus.
In den Wiesen am Unterlauf des Ellbaches wurden um 1750 die Lohgruben für die Gerber ausgehoben. Dabei stieß man auf ergiebige fette Lehmschichten, das Material für die spätere Ziegelei. Es dauerte allerdings weitere hundert Jahre bis in der Fabrik um 1880 die ersten noch von Hand geformten Dach- und Mauerziegel gebrannt wurden, die später maschinell und in großen Stückzahlen hergestellt wurden. Dabei handelte es sich im wesentlichen um Backsteine sowie Herz- und Doppelfalzziegel.
Vor der maschinellen Produktion wurden anfangs in kleinen einfachen Brennöfen, die zum Teil noch im Freien standen, Mauer- und Ofen- rohrrosetten geformt und gebrannt. Für vornehme Häuser soll damals eigens ein aus Mettlach stammender, künstlerisch veranlagter Arbeiter, kunstvolle Palmetten zur Gartengestaltung sowie Wand- und Decken- friese geformt haben. [1]
Neben dem großen Werksgebäude, in dem sich die für die Produktion erforderlichen Brennöfen und Pressen befanden, überragte der hohe Schornstein über viele Jahre das Fabrikgelände und wirkte im Dorfbild wie ein Wahrzeichen für Arbeit und Aufbau. Auf den Freiflächen und in den angrenzenden Wiesen standen aneinandergereiht die vielen Freilufttrockner, unter denen die aus einem Lehm- Tongemisch geform- ten Mauersteine und Dachziegel gelagert und zunächst vor getrocknet wurden, um sie später brennen zu können. Die Lage war ideal, weil von den Höhen des Gaues und des Limberges ständig die Fallwinde über die Saarwiesen strichen. Die zum Betrieb gehörende Maukanlage hatte man wegen des strengen Geruches ein wenig abseits angelegt (vermutlich ist hiervon der Ausdruck „Mauken“ für stinkende Füße abgeleitet).
Annähernd achtzig Jahre, bis zur Schließung im Jahre 1965, gab die Ziegelei einigen Menschen in Roden Arbeit und Brot.
Roden wurde in früher Zeit häufig von Feuersbrünste heimgesucht. Besonders schlimme Brände gab es in den Jahren 1752 und 1820 bei denen, so die Überlieferungen, fast die Hälfte aller Häuser im Ort dem Feuer zum Opfer fielen. Bis gegen 1900 waren in und um Roden noch viele Häuser aus Holz und Lehm gebaut und die Dächer waren mit Stroh eindeckt. Feste, nicht brennbare Bedachungen, waren daher sehr nachgefragt und sicherten in den Anfängen dem Betrieb die Auftrags- lage.
Ihre Blütezeit erreichte die Fabrik allerdings in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg. Bedingt durch die immensen Kriegszerstörungen herrschte eine große Nachfrage nach Baumaterial. In jenen Jahren arbeiteten in der Fabrik neben einer Stammbelegschaft gelegentlich auch Rodener Frauen und Männer unentgeltlich, das heißt; statt Geld gab es Ziegel und Mauersteine, mit denen sie ihre zerstörten Häuser wieder aufbauen konnten.
Zur Ziegelei gehörte die Lehmkaul, die sich in der Wiesengemarkung „In der Au“, etwa am Ende der heutigen Straße „Zur Saarmühle“ befand. In der Dorfsprache hieß die Lehmkaul nur „Dietes Loch“, benannt nach dem Eigentümer, die Familie Diete. Die Kaul hatte in etwa die Ausmaße eines halben Fußballfeldes und war an einigen Stellen mehrere Meter tief. Hier wurde der Lehm abgebaut. In der Lehmkaul ist man beim Abbau seinerzeit auf Rundhölzer und auf die Überreste eines Menschen und eines Pferdes gestoßen. Auf diesen Fund bin ich in meiner Erzählung zum „Dreissigjährigen Krieg“ etwas näher eingegangen.
In den Anfängen ist der Lehm noch mühevoll von Hand gestochen und unter großen Anstrengungen mit Hand- und Pferdewagen in die nahegelegene Ziegelei gekarrt worden. Zum Transport stellten damals die Rodener Bauern im Wechsel ihre Pferdegespanne zur Verfügung. Später wurde der Rohstoff mit einem Schaufelbagger gefördert und auf einer Feldbahn auf Loren in den Betrieb transportiert. Ein Fortschritt, der die Arbeit von Mensch und Tier doch wesentlich erleichterte.
Mit Grundwasser gefüllt, bildete sich im Laufe der Zeit in der Lehmgrube ein kleiner See mit einer vielfältigen Ufervegetation aus seltenen Schilf- und Sumpfpflanzen. Ein einzigartiges Biotop, in dem sich durch die häufigen Überflutungen von Saar und Ellbach auch eine artenreiche Fauna entwickeln konnte. Neben Forellen und anderen Edelfischen wurden selbst Krebse gefangen.
Heute ist von der ehemaligen Ziegelei nichts mehr zu sehen. Das Werksgebäude ist verschwunden, die Fabrik nur noch Geschichte. Wo früher die Brennöfen glühten und der hohe Schornstein rauchte, wo Rodener Männer und Frauen schwere Arbeiten verrichteten, stehen jetzt Wohngebäude. Auch die Lehmkaul und der kleine See mit der reichen Flora und Fauna sind verschwunden. Zugeschüttet und mit Gras überwachsen, deutet nur noch eine kleine Mulde in den Wiesen auf „Dietes Loch“, die Lehmkaul hin.
Geblieben ist von alledem nur die Erinnerung an ein Stück altes Roden