SCHWEIGENDE REVOLTE

50 JAHRE NIEDERSCHLAGUNG DES PRAGER FRÜHLINGS

Als sich Leonid Breschnew (1906-1982) im Mai 1978 in der Tschechoslowakei
aufhielt, passierte etwas Interessantes.

Am 31. Mai fand im Prager Schloss eine Versammlung statt, auf der Breschnew
sagte, die Tschechoslowakei habe „1968 ziemlich schwierige Prüfungen ehren-
haft bestanden“. Als er auf die „gute Zusammenarbeit zwischen den Bruderlän-
dern“ einging, kam es plötzlich zu einer Bildstörung. Gleichzeitig blieb die Rund-
funkübertragung aus. Die Live-Sendung wurde durch ein Foto von Prag, später
durch Dokumentaraufnahmen ersetzt. 20 Minuten entschuldigte sich zweimal
ein Ansager für das „technische Versagen“.

Westliche Diplomaten und Journalisten meinten, so etwas hätte es noch nie ge-
geben. Dieser Vorfall, der zehn Jahre, nachdem Breschnew die Tschechoslowa-
kei mit Panzern und Kanonen in die Knie gezwungen hatte, eintrat, demonstriert
die Verachtung des tschechoslowakischen Volkes. Die Wut der sowjetischen Be-
amten kam darin zum Ausdruck, dass sie den Vorgang als „Sabotage“ betrachteten.

Die englische Zeitung „Daily Mail“ berichtete am 1. Juni: „Breschnew verschwand
von den tschechoslowakischen Bildschirmen“, „dies war ein Unternehmen gesun-
der und schweigender Revolte“.

Quelle: BEIJING RUNDSCHAU, Nr. 24 vom 20. Juni 1978, Seite 32.