DIE KURZWELLE WÄHREND DES „KALTEN“ KRIEGES

AUTOR:  Josef Theobald

Anfang der Achtziger Jahre zeigte sich, dass die westlichen Radiostationen
den östlichen völlig unterlegen waren. So hatte RADIO MOSKAU 300 Sender
auf Kurzwelle zur Verfügung. Die BBC und die Voice of Amerika (VOA) hat-
ten dagegen nur 163 Sender in diesem Bereich zur Verfügung. Davon ent-
fielen auf die BBC 73 und auf die VOA 90 Kurzwellensender. Dabei waren
die KW-Sender der Satelliten der Sowjetunion, von Ost-Berlin und von Prag
bis Sofia, nicht einmal mitgerechnet.

Ergänzend kam hinzu, dass es den westlichen Korrespondenten in der Sow-
jetunion und in anderen Satellitenstaaten immer schwieriger gemacht
wurde, jeweilige Nachrichten und Informationen zu sammeln. Sie unter-
lagen hier vielfältigen politischen Restriktionen auf Seiten dieser
Länder.

Wegen der Pluralität von Meinungen in der westlichen Presse war es den
östlichen Ländern einfacher möglich, den Westen mit einer Flut von Sen-
dungen und „Informationen“ zu überschwemmen.

Der BBC London waren ihre Auslandskorrespondenten viel Geld Wert. So
kostete Anfang der Achtziger Jahre ein Mitarbeiter 50,000 – 100.000 Pfund,
je nach Einsatzort.

Was waren die Unterschiede in der Berichterstattung?

Radio Moskau und die übrigen Sender im Sowjetblock berichteten stets
über ihre Erfolge der Planerfüllung. Dazu kamen Sendungen über die
sozialen Errungenschaften (Lohnformen, gesellschaftliche Konsumfonds,
Preispolitik bei Grundnahrungsmitteln und Mieten, Steuersystem).

Die westlichen Länder berichteten im Gegenzug über ihre Marktwirtschaft
und die damit verbundenen Krisen. Dabei wurde nichts unter den Tisch
gefallen gelassen. Ihre Aufgabe war es auch, über die Länder in ihren
Zielgebieten zu berichten. Dabei ist zu erinnern, dass aus in der Sow-
jetunion verbotenen Büchern gelesen wurde, wie aus „Der Archipel Gulag“
von Alexander Solschenizyn (BBC).

Bei den östlichen Ländern war es für den Normalhörer schwierig, das
Richtige vom Falschen zu unterscheiden. Man musste oft zwischen den
Zeilen der Meldungen lesen. Nur Insidern ist allmählich der wirkliche
Zustand der Sowjetwirtschaft bekannt geworden. Die in den Sechziger
Jahren geschaffenen Kombinate brachten nicht die Erfolge, die man sich
zunächst erhofft hatte. Die Produktivität hing öfters hinterher. Als
dann noch die zu erwartenden Steuern wegen der fehlenden Gewinne aus-
blieben (Grund: zunehmende Produktionskosten wegen des erhöhten Aus-
schusses), hatte der sowjetische Staatshaushalt plötzlich erhebliche
Probleme. Die einst gepriesenen sozialen Errungenschaften waren im-
mer schwieriger zu finanzieren. In der Sowjetunion z. B. mussten sich
Hochschulprofessoren noch eine zweite Beschäftigung suchen.

Wie war der Empfang in den Zielgebieten?

Durch eine bessere Technologie waren die Kurzwellensendungen aus dem
Osten im Westen besser zu empfangen. Man konnte also schnell bei den
Schwankungen der Sonnenfleckenrelativzahl reagieren. Westliche Sender
dagegen, wie die Deutsche Welle, waren in einigen Gebieten der UdSSR
(z. B. im Kaukasus) schlecht zu empfangen. Dies hing damit zusammen,
dass man aus diesen Regionen zu wenig oder gar keine Hörerbriefe bekam.
Nicht selten wurde die Hörerpost durch nachgelagerte Stellen des KGB
abgefangen.

Radio Moskau war im Westen sowohl über Kurzwelle, auf Mittel- und Lang-
welle, zum Teil über Relais-Sender, zu empfangen. Radio Prag bediente
sich auch der Kurz- und Mittelwelle. Radio Polonia, Radio Budapest,
Radio Bukarest und Radio Sofia bedienten sich aber allein der Kurzwelle.

Gab es auch Sendungen in Deutsch aus anderen Ländern?

Radio Jugoslawien sendete in Deutsch. Radio Ljublijana aus Slowenien
war am Abend über Mittelwelle zu hören. Dazu kamen die halbstündigen
Sendungen aus Tirana in Albanien, am Abend auch über die Mittelwelle.
Aus dem Fernen Osten meldete sich zweimal täglich Radio Beijing. Auch
die Stimme Koreas meldete sich zweimal täglich.

Welche Rolle spielte Radio Beijing?

Mit dem Ende der Großen Proletarischen Kulturrevolution (1966-1976)
arbeitete man in der Volksrepublik China an der Realisierung der
Modernisierung der chinesischen Wirtschaft. Man verstand es, die
Fehler der Sowjetwirtschaft zu umgehen, indem man die Planwirtschaft
mit der Marktwirtschaft kombinierte. Auch ließ man ausländische In-
vestoren in das Land, die für eine befristete Zeit sich hier nieder-
lassen konnten. Es war die große Zeit der Gemeinschaftsunternehmen.
Man wollte vom Westen lernen. Denn während der Zeit der Kulturrevolu-
tion kam man im Bereich der Bildung und des Managements deutlich ins
Hintertreffen.

Wie kam es zum Bruch zwischen Beijing und Tirana?

Ende der Fünfziger Jahre näherten sich die Partei der Arbeit Albaniens
(PAA) und die KP Chinas ideologisch an. Es ging damals um den Kampf ge-
gen den Revisionismus, wie er nach dem Tode Stalins 1953 zwischen der
UdSSR und Rotchina ausgetragen wurde. Hier empfehle ich als Lektüre das
Ende der Fünfziger Jahre in der DDR erschienene Buch „ W. I. Lenin –
Gegen des Revisionismus“. 1978 kam es hier wieder zu einer Trennung.
Nach dem Buch von Enver Hoxha (1908-1985) mit dem Titel „Betrachtungen
über China (2)“ bestand das Verhältnis Albaniens zu China im Wohlwollen
des Vorsitzenden Mao zu dem kleinen Land. Der frühere Ministerpräsident
Zhou Enlai (1898-1976) ging schon zu seinen Lebzeiten auf Distanz zur
PAA. Offensichtlich herrschten in der Führung der PAA starke Spannungen,
die zunehmend eine Kooperation zwischen beiden Parteien erschwerten.
Diese gipfelten im bis heute ungeklärten Mordfall des Ministerpräsiden-
ten Mehmet Shehu (1913-1981). Dazu passt der Vorwurf, Shehu sei ein
langjähriger Agent mehrerer ausländischer Geheimdienste gewesen.