MAUERÖFFNUNG VOR 30 JAHREN

AUTOR: Josef Theobald

Ich hatte als Kurzwellenhörer hier und da mit der DDR zu tun.
Ich erlebte in der Zeit des „kalten Krieges“ die DDR nach außen
als abgeschottet. Die Isolierung kam von der DDR selbst.

Literatur aus der früheren DDR erhielt man lediglich über die DKP
oder über Radio Prag. Dank der Redakteurin Anne Steltnerova war
dies möglich.

Später erlebte ich die Bürger der ehemaligen DDR als stark ange-
passt und unter einem Gruppendruck stehend. Man hatte hier nie
gelernt, kritisch die Meinung zu äußern.

Dies hat mit der Sozialisierung der DDR-Jugend zu tun. Das Bildungs-
system der ehemaligen DDR verlangte nach Leuten, die loyal zum po-
litischen System standen. Schon Lenin sagte: „wir erklären offen, dass
es Lüge und Heuchelei ist, zu behaupten, die Schule stehe außerhalb
des Lebens, außerhalb der Politik.“ (Rede auf dem I. Gesamtrussischen
Kongress für Bildungswesen). Dies begann schon in der Mitgliedschaft
in der FDJ. Denn die DDR stand in der Tradition von Ernst Thälmann,
dem letzten Führer der KPD vor Ende des II. Weltkrieges. So knüpfte
man an den Patriotismus der kommunistischen Bewegung der Dreißiger
Jahre an. Die kritisch auftretenden Schüler wurden ausgegrenzt und durf-
ten nicht studieren. Auch in den Betrieben waren sie Repressionen ausge-
setzt.

Nach dem 17. Juni 1953 ging man in Kleinarbeit gegen alle Elemente vor,
die für die damaligen Ereignisse verantwortlich waren. Dies beinhaltete z.
B. Parteiausschlüsse, fristlose Entlassungen und Wohnungskündigungen.
Dadurch wollte man vorbeugen, dass zu keiner Zeit mehr die sowjetischen
Panzer in der DDR aufmarschieren. In diesen „Selbstreinigungsprozessen“
wurde aber entweder die Grundlage für weitere Protestbewegungen oder
für das Leben in gesellschaftlichen Nischen gelegt. So gab es Bürger, die
sich nur in der Umgebung der Kirchen engagierten.

Viele Leute in den neuen Bundesländern fühlen sich benachteiligt und
stark unterrepräsentiert. Auch haben einige die Verhältnisse nach der
Wiedervereinigung bis heute nicht verkraftet. Die damalige Regierung
KOHL wollte die West-Mark schnell in die frühere DDR bringen, aus Angst,
die Leute würden alle in den Westen Deutschlands strömen. Die deutsche
Einheit war ja sehr kostspielig. Neben dem Solidaritätszuschlag und dem
Solidarpakt Ost sind viele Mittel aufgebracht worden, um die Infrastruk-
tur und die Neuansiedlung von Betrieben zu bewerkstelligen. Viele Mittel
versackten in dubiosen Neuansiedlungen oder in der Aufrechterhaltung
der Kinderbetreuung nach dem alten DDR-Muster. Die neuen Bundesländer
hatten große Freiheiten bei der Mittelverwendung. Eine nachträgliche
Überprüfung der Effizienz gab es nicht. Eine starke Ost-West-Wanderung
in Deutschland konnte man dennoch nicht verhindern. Dies betraf vor
allem die junge Generation.