Ici est né le maréchal Ney

In unserem kleinen Saarlouis war indes eine andere Zeit angebrochen, eine Zeit, an der auch der vergessene französische Wachposten auf der Vaubaninsel nichts hatte ändern können. Saarlouis war preußisch geworden. Wie weit aber Berlin von Saarlouis entfernt war, ersieht man aus der kleinen Anekdote, wonach den Saarlouisern auf eine ihrer zahlreichen Beschwerdeschriften in der ersten Hälfte des vorherigen Jahrhunderts von Berlin die Antwort kam mit der Anrede: An die dortige Stadtverwaltung. Die Saarlouiser sprachen es nur ein klein wenig anders aus und sagten: „So eine Unverschämtheit von den Berlinern. Mir ben doch net doortig“ (doortig ist in Saarlouis Mundart verrückt). Un das Hin- und Herschreiben zwischen Berlin und Saarlouis – ob doortig oder nicht doortig – wollte kein Ende nehmen.

Ein Gesinungsumschwung wurde eingeleitet in Frankreich durch die Veröffentlichung geschichtlicher Werke, die Dokumentation der napoleonischen Feldzüge. Die Herzogin von Angoulème, die Tochter des enthaupteten Königs Ludwigs XVI., Neys ergrimmteste Feindin, war tief ergriffen und gab ihrer Reue Ausdruck, als sie von den unvorstellbaren Leiden der französischen Armee in Russland und von Neys aufopferungsvoller Nachhutführung las. „Wenn noch einmal, wie damals das Schicksal Neys in meine Hand gelegt werden könnte, die Begnadigung würde ihm diesmal nicht versagt werden“. Die Mauer des Luxemburggartens, die Stelle, an der Ney erschossen worden war, sein Grab auf dem Friedhofe Père Lachaise waren Wallfahrtsorte geworden. Die Zeit war gekommen, in der auch Napoleons Name in der guten Gesellschaft wieder genannt werden durfte. Ein Kranz von Liedern und Geschichten wob sich um ihn und seine Getreuen dank der Geschichte von Bérenger, dem Dichter der Lègende napoléonienne.

Um diese Zeit durften die Saarlouiser ihren Gefühlen Ausdruck geben. Im Jahre 1829 wurde an Marschall Neys Geburtshaus die schlichte und doch so beredte Gedenktafel angebracht, die wir heute noch dort sehen. „Ici est le maréchal Ney“. Im Jahre 1830 verlangten die Bewohner des Moseldepartements, dass Marschall Neys Gebeine im Panthéon die Ruhestätte eines Helden finden sollen. 1834 wurde offen gesagt, dass die Erschießung Neys 1815 ein Justizmord gewesen sei. Im Volk war eine Rechtfertigung Neys nie nötig gewesen. Nun aber kam die Zeit der offiziellen Rechtfertigung. Es mag der Saarlouiser Abordnung und den noch lebenden Verwandten ein stolzer Trost gewesen sein, als sie 1853 die Reise nach Paris antraten, um der Enthüllung des Denkmals beizuwohnen, das an der Stelle seines Todes, an der Mauer Luxemburggartens – von der Meisterhand eines Rude geschaffen – aufgestellt wurde. Feierlich wurde sein Name wieder auf die Liste der Ehrenlegion aufgenommen, aus der er 1815 mit Schimpf gestrichen worden war. Eine kleine grauhaarige Dame mit ihren Söhnen stand an der ersten Stelle, als die Hülle von dem Denkmar fiel, Eglé Ney, die Frau des Marschalls, erlebte noch den Tag der Genugtuung.

In der Lindenallee des Saarlouiser Marktes gingen die Altgedienten aus Napoleons Zeit noch bis in die 70er Jahre spazieren. Der Faden der Erinnerung riss nicht ab. Ein Symptom des stets wachen Gedenkens an Frankreich war Georg Baltzers Buch aus dem Jahre 1865: Historische Notizen über die Geschichte der Stadt Saarlouis.

Heute ist Frankreich uns wieder näher gerückt. Frankreich beginnt bei Oberfelsberg. Der Wind, der von den Gaubergen her, von Lothringen her, von Felsberg her, zu uns hinuterfegt, soll ruhig in den glimmenden Funken der Erinnerung an Frankreich hineinblasen.

Wir freuen uns, dass die Inschrift am Marschall-Ney Hause der Aufmerksamkeit der letzten Jahre entging, dass sie uns auch, trotz großer Zerstörung der Stadt erhalten blieb. Wir freuen uns, dass unserm Marschall Ney in seiner Heimatstadt ein Denkmal errichtet wurde und freuen wollen wir uns alle, dass wir mit Mut und voll Vertrauen einen neuen Abschnitt in der Geschichte unserer Heimat beginnen können.

Quelle: Dora Dimel/Beaumarais, Marschall Ney und seine Heimat

Über "ein Gefällt" unserer Seiten würden wir uns freuen!

Weitere Infos später auf unserer Facebookseite: https://www.facebook.com/RodenaHeimat/

img_0483