HINTERGRUND DER CHINESISCHEN POLITIK DER OFFENEN TÜR

AUTOR: Josef Theobald

Angesichts der Tatsache, dass in der letzten Zeit zunehmend chinesische
Firmen Anteile an deutschen Unternehmen erwarben, ist ebenfalls von der
deutschen Wirtschaft die Forderung nach einem besseren Marktzugang in
China aufgestellt worden. Weiterhin wurde eine fehlende Gleichbehandlung
von deutschen Unternehmen mit der chinesischen Konkurrenz beanstandet.

Als in der Volksrepublik China der inländische Markt für ausländische Firmen
geöffnet wurde, sahen hier viele Unternehmen große Chancen in einem Land
mit einer großen Bevölkerung und einem enorm großen Potential.

Dabei übersahen sie allerdings das sozialistische Wirtschaftssystem, das nur
durch Marktmechanismen konkurrenzfähig gemacht wurde. Im Jahre 1979 ist
in der Beijing Rundschau ein Artikel erschienen, der den ideologischen Hinter-
grund der chinesischen Öffnungspolitik behandelt. [1]

Der Autor gibt hier in einen Rückblick in die frühen Jahre der Sowjetunion, als
nach dem Bürgerkrieg die Notwendigkeit bestand, die sowjetische Wirtschaft
zu beleben. Es war die Zeit der Neuen Ökonomischen Politik (NÖP), in der
gewisse Formen des Staatskapitalismus zugelassen waren. Die Kommando-
höhen blieben weiter in den Händen der kommunistischen Partei. Außerdem
habe der proletarische Staat den Grund und Boden und alle wichtigsten Teile
der Industrie in seinen Händen.

Schon damals waren lediglich kleinere und mittlere Industriebetriebe in Pacht
zu übernehmen. Eine andere Form waren gemischte Gesellschaften, also die
Gesellschaften, die vom privaten ausländischen Kapital und von einem staat-
lichen Anteil getragen wurden (Gemeinschaftsunternehmen, Joint Venture).
Hier sah man eindeutig einen Nutzen durch das Erlernen der erfolgreichen
Gestaltung des Handels. Schließlich gab es immer die bestehende Option,
im Bedarfsfall eine solche Gesellschaft wieder zu liquidieren, so dass kein
Risiko für den sozialistischen Staat entstand. [2]

Gerade in China hatte man vor der kommunistischen Machtergreifung doch
schlechte Erfahrungen mit den Kompradoren gemacht. Eine entsprechende
Phobie ist noch heute präsent. Vor allem in den kolonialen Ländern stellten
die Kompradoren die einheimischen Vertreter einer Oberschicht, die nicht
selten eng mit den ausländischen Kolonial- oder Besatzungsmächten zu-
sammenarbeiteten. [3]

Der englische Parallelbegriff „comprador“ bezeichnet einen selbständigen
Handelsvertreter oder auch den Geschäftsführer einer Handelsvertretung,
der vorwiegend im Auftrag einer ausländischen Gesellschaft, also in einer
Handelscompany, tätig war und auch in der Praxis von dieser Gesellschaft
kontrolliert wurde. Der Ursprung des Wortes „comprador“ entstammt eigent-
lich der portugiesischen Sprache und bezeichnet somit den Vertreter einer
ausländischen Macht. Auch ist dieses Wort dem spätlateinischen Substantiv
„comparator“ entlehnt und geht auf das lateinische Verb „comparare“ zurück
(The Concise Oxford Dictionary of Current English, Oxford New York 1998,
die Seite 273). In K. E. Georges Lateinisch-Deutschem Handwörterbuch ist
unter dem Substantiv „comparator“ ein „Aufkäufer, Ankäufer und Käufer“ zu
verstehen. Daher hat das dazugehörige lateinische Verb „comparare“ hier
den Sinn von „beschaffen, anschaffen, und (durch Kauf) ankaufen“.

War der staatliche Sektor in der Volksrepublik China Mitte der Achtziger Jahre
infolge der Auflösung der Volkskommunen und ab 1997 mit der Schließung un-
rentabler staatlicher Betriebe geschrumpft, ist jedoch seit einigen Jahren dieser
Sektor wieder mit 50 % der gesamten Anlageinvestitionen relativ stabil. [4]

Vor allem westliche Investoren aus den USA und Europa müssen langfristig da-
mit rechnen, dass auf einmal Übernahmeangebote auf Seiten der chinesischen
Konkurrenz gemacht werden. Sollte es hier aber keine Einigung geben, wären
im Einzelfall auch staatlich verordnete Liquidationen denkbar. Für jene Firmen,
die entweder von Japanern oder von Auslandschinesen geführt werden, wären
Ausnahmen durchaus möglich.

Der ost- und südostasiatische Wirtschaftsraum wird für China in den nächsten
Jahren an Bedeutung gewinnen, so dass der zwischenstaatliche Handel hier
erheblich wachsen wird.

ANMERKUNGEN
[1] Artikel: „Lenin und das Stützen auf positive ausländische Erfahrungen“,
     Beijing Rundschau, 30 vom 31. Juli !979, die Seiten 12 + 13.
[2] W. I. Lenin, Ausgewählte Werke in drei Bänden, Band III, 7. Auflage,
     Dietz Verlag, Berlin-Ost 1970, Seite 822.        
[3] DUDEN, Das große Fremdwörterbuch, Dudenverlag, Mannheim 2003,
     die Seite 734.
[4] Stephen S. Roach, Das neue Asien (Die Zukunft der globalisierten Welt),
     Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2011, die Seiten 261 + 241.