GLEICHER LOHN FÜR ALLE FORMEN DER ARBEIT

AUTOR: Josef Theobald

Schon W. I. Lenin wies in seiner Schrift „Die nächsten Aufgaben der
Sowjetmacht“ hin, dass es den Prinzipien der Pariser Kommune und
jeder proletarischen Macht entspricht, wenn die Gehälter dem Lohn
des Durchschnittsarbeiters angeglichen werden. Damit wollte man
dem Karrierismus in den Arbeitseinheiten Vorschub leisten. [1] In
der Stalinzeit war man gezwungen, ein System individueller Förde-
rung von Leistungen durch differenzierte Belohnungen aufzubauen,
wobei Qualifikation und Produktionsausstoß die Grundlage der Lohn-
findung bildeten. Dazu kamen Leistungsprämien und eine progressive
Akkordentlohnung, um die angestrebte Industrialisierung in kürzester
Zeit zu bewerkstelligen. [2]

Hier wird vermutlich die einsetzende Stachanow-Bewegung in der frü-
heren Sowjetunion Mitte der Dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts an-
gesprochen. Zu dieser Zeit ging es hauptsächlich um die Anwendung
neuerer, höherer technischer Normen, Leistungsfähigkeiten und Pro-
duktionspläne. Damit verbunden waren ebenso Arbeitszeitstudien. So
ist dem Zeitfaktor in der Arbeit wesentlich mehr Beachtung geschenkt
worden. [3]

Hier gibt es eine Parallele zu den Stoßarbeitern des Bohrtrupps 1205
im Ölfeld Daqing („große Feier“), das in der Provinz „Heilongjiang“ in
der Mandschurei gelegen ist und ab Mai 1960 erschlossen wurde. In
diesem Zusammenhang wurden ebenfalls Neuerungen realisiert, die
kleinere Schneidwerkzeuge zur Entfernung von Petrolkoks während
der Erdölgewinnung betrafen. Dadurch wurde die Arbeitszeit nun im
Vergleich zu früher um drei Viertel verringert. [4]  
 
Im Jahre 1931 äußerte sich Stalin grundsätzlich über den Arbeitslohn:
„Solange die Klassen nicht endgültig beseitigt sind, solange die Arbeit
nicht aus einem Mittel zum Leben zum ersten Lebensbedürfnis der
Menschen, zu einer freiwilligen Arbeit für die Gesellschaft geworden
ist, werden die Menschen für ihre Arbeit entsprechend ihren Leistungen
bezahlt werden… Erst im Stadium des höheren Kommunismus, erst in
der höheren Phase des Kommunismus wird jeder seinen Fähigkeiten
entsprechend arbeiten und für seine Arbeit entsprechend seinen Be-
dürfnissen erhalten.“ Dabei unterschied er zwischen verschiedenen
Prinzipien: „Jedem nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Lei-
stung.“ bzw. „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Be-
dürfnissen.“ Weiterhin verurteilte er die Gleichmacherei in diesem Zu-
sammenhang. Die Quelle dieser Denkweise sah er in der individuellen
bäuerlichen Denkweise, in der Auffassung, dass alle Güter gleichmäßig
verteilt werden müssten. Hier verwies er auf die Mentalität des primitiven
Bauern“kommunismus“. Außerdem habe Gleichmacherei nichts gemein
mit dem marxistischen Sozialismus. [5]    
    
Im Jahre 1964 spielte diese Thematik in der Auseinandersetzung der
KP Chinas mit der KPdSU unter N. Chruschtschow eine große Rolle.
In der früheren Sowjetunion führte Chruschtschow in der Sowjetwirt-
schaft einige wesentliche Neuerungen ein. wie die Betonung des ma-
teriellen Interesses. Die KPdSU existierte schon einige Jahre früher
als die KP Chinas und wollte im Rahmen der Entstalinisierung eine
Aussöhnung der im Lande existierenden Klassen erreichen. Dabei
akzeptierte er ausdrücklich Einkommensunterschiede zwischen einer
Handvoll Leute einerseits und den Arbeitern und Bauern sowie einfa-
chen Intellektuellen andererseits. [6] Es war in der Sowjetunion eben
die Phase der Aufrüstung im Bereich der atomaren Technologie und
Raketentechnik. Da viele kommunistische Parteien Osteuropas sich
mit sozialdemokratischen Parteien vereinigten, gab es auch hier eine
Menge Anhänger dieser Reformen.      

Auf Mao Zedong (1893-1976) geht die unbedingte Forderung nach einer
kommunistischen Arbeitshaltung zurück, bei der z. B. die Lohntüte nicht
der entscheidende Faktor ist. So könne trotzdem dem Volk vom ganzen
Herzen gedient werden. [7]

Auch im sozialistischen Albanien gab es das Bestreben, die bestehenden
Proportionen der Arbeitsentlohnung zu verkleinern. Dies sollte in mehreren
Stufen erreicht werden. Dabei blieben die mittleren und niedrigen Gehälter
in der Praxis unverändert. Hierbei wollte man sich hauptsächlich von den
revisionistischen Ländern absetzen, wo es allgemein eine tiefe Kluft zwi-
schen den Löhnen und Gehältern der Arbeiter und kleinen Angestellten
einerseits und den Gehältern der hohen und sogar auch mittleren Beam-
ten, Funktionäre und Intellektuellen andererseits gab. [8]

In der ehemaligen DDR genügte man der materiellen Interessiertheit da-
durch, dass man über den Arbeitslohn hinaus eine Prämierung einführte,
und zwar durch Jahresendprämien als Hauptform, die auf das Betriebs-
ergebnis im gesamten Planjahr bezogen war, durch Objektprämien, die
für die Erfüllung oder Übererfüllung von Schwerpunktaufgaben vergeben
wurden, und durch operative Prämien für die sofortige Anerkennung her-
vorragender kollektiver oder individueller Leistungen. [2]
   
ANMERKUNGEN
[1] W. I. Lenin, Ausgewählte Werke in drei Bänden, Band II, 7.
     Auflage, Dietz Verlag, Berlin-Ost 1970, Seite 744.
[2] Die Gesellschaft der DDR (Untersuchungen zu ausgewählten
     Bereichen), Herausgeber: Dieter Voigt, Duncker & Humblot,
     Berlin 1984, die Seite 32.
[3] J. W. Stalin, Fragen des Leninismus, letzte Ausgabe, Dietz
     Verlag, Berlin-Ost 1951, die Seiten 597 – 612.
[4] Datjing -Daqing- (Ein rotes Banner an Chinas industrieller
     Front), im Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking (VR
     China) 1972, Seite 31.  
[5] J. W. Stalin, Werke, Band 13, im Dietz Verlag, Berlin-Ost
     1955, Seite 105.
[6] Über den Pseudokommunismus Chruschtschows und die
     historischen Lehren für die Welt (Neunter Kommentar zum
     offenen Brief des ZK der KPdSU), Verlag für fremdsprachi-
     ge Literatur, Beijing (Peking) 1964, die Seiten 29/30.
[7] Beijing-Rundschau Nr. 31 vom 8. August 1978, Seite 15.
[8] Geschichte der Partei der Arbeit Albaniens, „Naim Frasheri“
     Verlag, Tirana (Albanien) 1971, die Seite 605.