EINE INSCHRIFT AN EINEM WEGEKREUZ

AUTOR: Josef Theobald

VORWORT

Dieser Beitrag ist meiner Tante, Frau Gisela Baltes,
geborene Zahner, gewidmet, die am Wochenende
im Alter von 85 Jahren verstorben ist. Auch sie in-
teressierte sich für heimatkundliche Themen.

BEITRAG

Sowohl am „Markuskreuz“ am Bahndamm (Lorisstraße) als auch am
„Armseelenkreuz“ in der Rathstraße findet sich zum Gedenken an die
Gefallenen und Vermissten bei den schweren Kämpfen in Saarlouis-
Roden in den Jahren 1944/45 dieser Hinweis:  

„Wie Du Vater in mir bist,
und ich in Dir bin,
so lass auch Sie
in uns eins sein.“

Johannes 17,21

Richtig müsste die Übersetzung aus dem griechischen Grundtext
so lauten:

„(Gleich)wie du, Vater, in mir
und ich in dir,
damit auch sie
in uns sind.“

Münchener Neues Testament (2004)

Dem zur Folge wurde der Ausdruck „so lass auch sie“ hier willkürlich
eingefügt.

Dies entspricht auch der Übersetzung aus der lateinischen Vulgata.

In der heutigen Theologie nennt man dieses Konstrukt auch Immanenz-
formel. Hier geht es vordergründig um die Einheit von Vater und Sohn.
Diese Immanenz zwischen dem Sohn und den Jüngern geschieht durch
das Geben und Empfangen des Wortes. So wie die Beziehung zwischen
Vater und Sohn vom Geben und Empfangen des Wortes bestimmt ist, ist
auch die Beziehung zwischen Sohn und Jünger davon bestimmt. Durch
dieses Geben und Empfangen des Wortes, durch die Immanenz von Sohn
und Jünger, entsteht die Einheit der Jünger untereinander. Die Jünger bzw.
die Glaubenden werden durch die Immanenz Jesu mit ihnen in die Einheit
von Vater und Sohn hineingenommen. Die Immanenz zwischen Jesus und
den Jüngern unterscheidet sich streng von obiger Vater-Sohn-Immanenz.
Sie ist rein „gnadenhaftes“ Ereignis. So besagt der Zusammenhang des
Textes, dass die Einheit der Jünger untereinander, welche die Einheit
von Vater und Sohn der Welt gegenüber gegenwärtig macht, zur Er-
kenntnis der Sendung Jesu führt. Dieses Erkennen der Sendung ist,
wie eben deutlich wurde, mit dem „Erkennen des Vaters“ gleichge-
setzt. Das heißt, dass die Sendungsformel die Offenbarung der Im-
manenz bedeutet. Durch die Darstellung der Einheit (d. h. die Imma-
nenz von Vater und Sohn) durch die Glaubenden gelangt die Welt zur
Erkenntnis dieser Einheit. [1]

Die evangelische Theologie verweist bei der Immanenz (Einheit) Jesu
mit den Glaubenden auf den Epheserbrief, wo es heißt: „ein Leib und
ein Geist, wie ihr auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eurer Be-
rufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater unser
aller, der da ist über euch allen und durch euch alle und in euch al-
len.“ (Kapitel 4, Verse 4-6, Luther-Textfassung von 1912)

Das Bonner Neue Testament, der erste kritische theologische Apparat
des Neuen Testamentes auf der Seite der katholischen Kirche für den
deutschsprachigen Raum aus der Zeit nach dem I. Weltkrieg weist da-
raufhin: „Im Glauben an den Herrn senkt sich göttliches Leben in die
Seelen ein, es ist die Teilnahme an ihm, die alle Gläubigen zur Einheit
zusammenschmiedet und zugleich diese davor bewahrt, Erstarrung und
Einerleiheit zu werden. Es ist „eine wirkliche Gemeinschaft des Lebens
und Wesens, des von Gott in sie übergeströmten übernatürlichen We-
sens und Gnadenlebens, einer Vereinigung auf dem gemeinsamen Le-
bensgrund, in der gemeinsamen Atmosphäre der Gotteswahrheit und
Gottesgnade (Keppler).“ [2] In dieser Ausführung findet sich auch der
Armseelen-Gedanke, der aus der aufsteigenden Einheit der Kirche re-
sultiert. Diese wird notwendig zu einem Beweis der göttlichen Sendung
Jesu selbst. Sie kann nur bewirkt werden durch Gottes Macht, dessen
Wesen Einheit und Kraft ist.    

ANMERKUNGEN
[1] Yu Ibuki, DIE WAHRHEIT IM JOHANNESEVANGELIUM, Bonner
     biblische Beiträge (39), Peter Hanstein Verlag, Bonn 1972, Seiten
     127 – 131.  
[2] DIE HEILIGE SCHRIFT DES NEUEN TESTAMENTS, Verlag von
     Peter Hanstein, der Band I, Teil 2: Das Johannesevangelium,
     Bonn 1921, Seite 239.
 

NACHTRAG

An der Stelle, wo heute das „Markuskreuz“ steht, stand vor dem I. Welt-
krieg ein Altar anlässlich des Fronleichnamstages. In den Kriegsjahren
1944/45 war das Wegkreuz stark beschädigt. Der Steinmetzmeister G.
Ahlhelm hat das Kreuz wieder hergerichtet und ihm auch eine neue Be-
schriftung gegeben.

Das „Armseelen- oder Welteskreuz“ steht schon seit dem vorletzten
Jahrhundert an dem heutigen Standort. Nach der starken Zerstörung
in den Kriegsjahren 1944/45 wurde es vom Friedhofswärter Johann
Klein übernommen und wieder hergestellt. Seitdem trägt es auch die
heutige Aufschrift.     

Quelle:
Dr. Andreas Neumann, Rodener Kreuze und Rodena Geschichte(n)
– sowie ein Einstieg in Kirchenlatein. eine Publikation des RODENA
Heimatkundevereins, 1. Auflage 2010, Seiten 58 + 64.