DIE GESCHICHTE DER JEHOVAS ZEUGEN

AUTOR: Josef Theobald

Im nächsten Jahr feiert der Saarlouiser Stadtteil Steinrausch sein
50-jähriges Bestehen. Er ist zur Zeit der einzige Stadtteil, der die
meisten christlichen Glaubensgemeinschaften beherbergt. Zum
ersten die Pfarrei St. Johannes, die dem katholischen Bistum Trier
untersteht. Zum andern das evangelische Gemeindezentrum, das
der Evangelischen Kirche im Rheinland untersteht. Zum dritten die
Freie Evangelische Gemeinde. Zum vierten der Königreichssaal der
Jehovas Zeugen, der der Wachtturmgesellschaft in Selters (Taunus)
untersteht.

Die Jehovas Zeugen zählen zu den adventistischen Gruppen, die nach
1876 nach Deutschland gekommen sind. Ihre religiösen Wurzeln liegen
in der Täuferbewegung des 17. und 18. Jahrhunderts, indem diese als
Gegner des „antichristlichen Staatskirchentums Europas“ Mitteleuropa
den Rücken kehrten und schließlich nach Amerika in die „Neue Welt“
auswanderten. Im späten 19. Jahrhundert begannen sie ihren Angriff
auf das “korrupte alte Europa“ und haben besonders Deutschland zu
ihrem besonders stark beschickten Missionsfeld erklärt. [1]

Bei den deutschen Fürsten hatten sich damals die Täufer dadurch
unbeliebt gemacht, dass sie die Übernahme obrigkeitlicher Ämter
verweigerten oder aus ihnen ausschieden. Sie verweigerten den
Dienst mit der Waffe, der von den weltlichen Obrigkeiten verlangt
wurde. Außerdem weigerten sie sich, Recht zu sprechen und sich
wegen Klagen an weltliche Gerichte zu wenden. Schließlich wurde
der Eid, den die Obrigkeiten von ihnen forderten, verweigert.    

Aus diesem Grunde wurden die Täufer zunehmend als Ketzer ge-
sehen. Die entsprechende Entscheidung, die als Speyrer Wieder-
täufermandat mit der Hilfe evangelischer Stände 1528 gefällt wurde,
hatte die bestehenden Verhältnisse eines landesherrlichen Kirchen-
regimentes bestätigt und den Wiedertäufern jeglichen Boden für ihre
künftigen Aktivitäten entzogen. [2]
 

Wie in den Vereinigten Staaten üblich, gründeten die sich zunächst
nennenden Ernsten Bibelforscher in Deutschland ein Verlagshaus,
die Wachtturm-, Bibel- und Traktat-Gesellschaft. Das ist ein riesiges
Verlagsunternehmen, das viele Jahre mit den Endzeitängsten der
Menschen ein lukratives Geschäft machte. Während der national-
sozialistischen Herrschaft wurden sie erneut politisch verfolgt. Erst
nach dem letzten Kriege konnte sie ihre alten Aktivitäten wieder ent-
falten. In den Sechziger Jahren hatten katholische Zeitschriften auf
diese nunmehr wieder möglichen Auftritte der sich heute nennenden
Jehovas Zeugen hingewiesen. Denn diese Glaubensgemeinschaft
war und ist für die aggressivste Form der Missionierung bekannt.

Unter der Leitung von Nathan Homer Knorr (1905-1977) ist die
Theorie aufgestellt worden, dass  Ende des Jahres 1975 6.000
Jahre Menschheitsgeschichte vergangen seien. Für dieses
Jahr erwartete er die Apokalypse, also den Eintritt der vor-
ausgesagten Offenbarung der Rückkehr Jesu Christi. Sein
Nachfolger Frederick William Franz (1893-1992) nahm das
alte vorhergesagte Jahr „1914“ und behauptete jetzt, Jesus
Christus habe zu diesem Zeitpunkt den Thron der Himmels-
regierung bestiegen, von dem aus er die Welt regiere. Hier
gibt es Parallelen zur Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Ad-
ventisten, die behaupten, Jesus Christus sei 1844 nach 2.300
Jahren in das Heiligtum eingetreten und leite jetzt das Gericht
vor seinem zweiten Kommen. [3]

Die bekannteste Lehre der Jehovas Zeugen ist die vom Welt-
untergang. Korrekt müsste es da allerdings heißen: die letzte
Schlacht von Harmagedon (Offenbarung 16,14-16), bei der
endgültig die Macht Satans beendet und die tausendjährige
Friedensherrschaft Jesu Christi anbrechen würde.

Noch heute weigern sich die Jehovas Zeugen, am politischen
Leben teilzunehmen oder sich sozial zu engagieren. Dies wird
mit der bevorstehenden Apokalypse begründet. Dazu gehört
auch der Bereich der Bildung. Sie verstehen sich nach wie
vor als „Streitmacht“ Gottes und weigerten sich zur Zeit der
bestehenden Wehrpflicht, Militär- oder Zivildienst zu leisten.
Hier nehmen sie auch Gefängnisstrafen in Kauf. [4]  

Typisch ist aber die Auslegung der Heiligen Schrift. Zum einen
nutzen sie die „Neue-Welt-Übersetzung“ mit willkürlichen Aus-
drücken, wie z. B. „unverdiente Güte“ für „Gnade“. Andererseits
leugnen sie den Tod Jesu am Kreuz und verwenden hierbei ab-
weichende Begriffe, wie „Pfahl“ und „Marterpfahl“. Dies schließt
ebenfalls die Kreuzesverehrung aus. Wie andere adventistische
Freikirchen gehen sie bei der Dreieinigkeitslehre auf Abstand.

ANMERKUNGEN
[1] Erich Beyreuther, Frömmigkeit und Theologie (Gesammelte Auf-
     sätze zum Pietismus und zur Erweckungsbewegung), im Georg
     Olms Verlag, Hildesheim – New York 1980, Seiten 262/63.  
[2] Hans-Jürgen Goertz, Die Täufer (Geschichte und Deutung),
     Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1988, Seite 109 + 135.  
[3] Hugo Stamm, Im Bann der Apokalypse (Endzeitvorstellungen
     in Kirchen, Sekten und Kulten), Pendo Verlag, Zürich 1998,
     Seite 302.  
[4] wie [3], jedoch die Seite 304.
 
BEITRAGSBILD:
BEZIRKSKONGRESS DER JEHOVAS ZEUGEN IM AUGUST
1955 AUF DER NÜRNBERGER ZEPPELINWIESE