DER SCHMIED

AUTORIN: Angelika Merkelbach-Pinck

Ehemals war das Arbeitsgebiet des Schmiedemeisters ausgedehnter als
heute. Alle Hufeisen mussten von ihm hergestellt werden. Er schmiedete
sie aus den verbrauchten Stücken zusammen, und da er sie jeweils dem
Huf des einzelnen Pferdes, der wie der Fuß des Menschen verschieden
ist, anpassen musste, verlangte diese Anfertigung gründliche Sachkennt-
nis. Dazu kamen die Riegel und Haken für Türen und Fenster, wenn auch
in der guten alten Zeit das Haus nicht so ängstlich verwahrt wurde wie heu-
tigen Tages und jeder nach Belieben den Türschlempe zur Stube oder zur
Küche niederdrücken konnte, um einzutreten. Manch schönes Kunstschmie-
destück zeugt von dem Können der alten Meister.

Manche Erzählung berichtet aber auch von den schweren Kontributionen,
die er gerade zu tragen hatte, wenn der Feind im Lande hauste und der
Schmied und seine Gesellen Tag und Nacht an Esse und Amboss stan-
den, um die Forderungen an Hufeisen zu befriedigen; andernfalls hätte
er Kopf und Kragen riskiert.

Ein Besonderes war es um die Nagelschmiede, die Nägel jeder Größe und
Stärke anfertigten, um sie dann in einem Säckchen auf dem Rücken in den
Handel zu tragen, oft bis ins Elsass hinein.

Des alten Schmiedemeisters, namentlich des Nagelschmieds treuester
Geselle war der Hund, der im Rad ging und den Blasebalg zog. Eine
Quälerei für das Tier, eine Erleichterung für den stark beanspruchten
Meister, dessen Hammer vom frühen Morgen bis in die späte Nacht
hinein erklang.

Die Schmiede war die besonders beliebte Meistub der Männer. In ihr
war es am längsten warm und hell. In ihr war Raum und Zeit, die Dorf-
politik zu betreiben, die große Politik zu bereden. Dafür sprang dann
ein jeder dem Meister in der Arbeit gerne bei, soweit er es vermochte.
Selbst für die Dorfkinder hatte die Schmiede ihre besondere Anziehungs-
kraft. Im Winter warf sie ihren hellen Schein in die unbeleuchtete Straße,
lockte an das blinde Fenster, hinter dem die Flammen und Funken auf
der Esse aufsprühten; im Sommer war es der riesengroße Schleifstein
im Hof, an dem die Buben ihre Messer wetzten, bis die blauen Funken
aus dem harten Stein aufspritzten.

Mit der Schmiedekunst war die Arbeit nicht erledigt. Gewöhnlich spielte
der Schmied die Rolle eines Tierarztes im Dorf. Er half, wenn die Kuh
kalbte, das Pferd sich in Koliken wand. Daneben hatte er die größte
Kraft und das beste Instrument, dem Bauern und der Bäuerin von den
Zahnschmerzen abzuhelfen. Der Amboss war des Patienten Operations-
stuhl, auf dem ihn ein bis zwei Mann festhielten, wenn der Schmied ihm
den Zahn herauszog ohne lange Vorbereitungen und Betäubungen, wenn
es gut ging, mit einem Ruck, dass die Kinnlade krachte. Oft wurde der Zahn
auch im Stehen gezogen.