DER MÜLLER

AUTORIN: Angelika Merkelbach-Pinck

VORWORT

In unregelmäßigen Abständen bringt hier der RODENA Heimatkunde-
verein Roden e. V. aus Saarlouis-Roden kurze Beiträge von Angelika
Merkelbach-Pinck (1885-1972), die aus dem Bitscher Land stammte
und die Sitten und Gebräuche in Ostlothringen in den Dreißiger Jah-
ren des letzten Jahrhunderts eingehend studierte.

BEITRAG

Der Müller war, wie der Gerber, mit seinem Handwerk auf das Wasser
angewiesen. Wo immer ein Bach im Waldtal rauschte, klapperte auch
eine Mühle, mintunter auch deren zwei. Viele lothringische Mühlen ver-
danken ihr Entstehen einer Klostergründung. Auch die Burgen hatten
ihre Mühlen. Der Mühlbach drehte die Schaufeln des Riesenrades, und
dieses setzte hinwiederum die schweren Mühlsteine in Bewegung. Man
brachte dem Müller das Getreide, je nach Bedarf, da sich das Getreide
auf dem Speicherboden leichter aufbewahren ließ als das Mehl. Der
Müller lieferte dann von Zeit zu Zeit auf einem Esel oder Pferd den
Stumpe Mehl und die Kleie seinen Kunden ab. Dabei ging es mit dem
Stumpenmiller nicht immer reibungslos ab, denn dem Bauern und der
Bäuerin genügte gewöhnlich der Stumpe und das Säckchen Kleie als
Ergebnis ihres großen Sackes voll Korn nicht. Darum stand der Müller
nicht immer im besten Ruf bezüglich der Redlichkeit. Heute noch gehen
gegen ihn spitzfindige Redensarten aus der alten Zeit um, oder er muss
selbst umgehen, weil seine Seele keine Ruhe findet.

Der Müller, der in seiner abgelegenen Mühle einsam lebte und vom frühen
Morgen an schwer arbeitete, war zumeist ein wortkarger, hagerer Mann,
den Kinder mit einer gewissen Scheu umgingen. Um die Mühle selbst, in
dem eng umwaldeten Tal, lag ein Geheimnisvolles, zuweilen ein Gruseln.

Neben der Getreidemühle hatte die alte Zeit ihre Ölmühlen, in denen Buch-
eckern, Nüsse, Raps in Haushalts- und Leuchtöl verarbeitet wurden.

QUELLENANGABE

BRAUCH UND SITTE IN OSTLOTHRINGEN von Angelika Merkelbach-
Pinck, Selbstverlag der Erwin von Steinbach-Stiftung, Frankfurt (Main)
1968, Seite 52.

ANMERKUNG

Was den Ruf des Müllers angeht, erinnere ich mich an meinen Großvater,
dem im heiratsfähigen Alter von seiner Mutter eindringlich geraten wurde,
von Müllers Töchtern die Finger weg zu lassen, da diese oft nicht auf die
Reinlichkeit achteten. So der Spruch: „Müllers Schwein, lass das sein.“