DIE KATHOLISCHE KIRCHE UND DER NATIONALSOZIALISMUS

AUTOR: Josef Theobald

Die römisch-katholische Kirche hatte sich unter Papst Pius IX. (1792-1878)
zu einer Institution verwandelt, die gegen alle auftretenden Erscheinungen
des Modernismus, Republikanismus, Liberalismus, Sozialismus und Natio-
nalismus auftrat. Im Jahre 1864 entstand der berüchtigte Syllabus errorum
(Verzeichnis von 80 modernen Irrtümern), der neben den theologischen Irr-
lehren, auch Demokratie, Sozialismus, Bibelgesellschaften, Pantheismus,
Pressefreiheit, Rationalismus und Liberalismus verurteilte. [1]

So wurde die katholische Kirche in seiner stark konservativen Ausrichtung
zu einer Bedrohung sowohl extrem „rechter“ als auch extrem „linker“ politi-
scher Parteien. Deshalb kam es von Anfang an zu Spannungen mit den
Nationalsozialisten in Deutschland und auch später mit den Kommunisten
in Polen.

Zunächst hatte der heilige Stuhl unter Papst Pius XI. (1857-1939) versucht,
durch den Abschluss des Reichskonkordats vom 20. Juli 1933 die Lage zu
entspannen. So gab es hier eine Zusicherung in Bezug auf die Bekenntnis-
schulen und den Erhalt der kirchlichen Verbände, soweit sie religiös karitativ
waren. Allerdings war der Rückhalt durch den politischen Katholizismus nun
verloren. [2]    

Es ist damals auch nach Johannes 18,36 die Meinung vertreten worden, dass
die Kirche nicht von dieser Welt sei. Es erübrige sich der Beweis, dass Jesus
Christus kein irdisches Reich besaß. Er erhob keinen Anspruch auf weltliche
Rechte, er wurde von der Welt nicht als König anerkannt, vielmehr wie ein Ü-
beltäter ausgeliefert. [3]

Bezüglich der Behandlung der Vorgänge im nationalsozialistischen Deutschland
verfolgte man allerdings keine einheitliche Linie. Dennoch gab es von einzelnen
Bischöfen einen unnachgiebigen Abwehrkampf gegen die mit der katholischen
Lehre unvereinbaren Rassendoktrin und den extremen Nationalsozialismus (die
Adventspredigten Michael Faulhabers 1933 mit der Verteidigung des Alten Testa-
ments, die zahlreichen Schriften gegen Alfred Rosenbergs „Mythus des XX. Jahr-
hunderts“).

Doch mit der Zeit geriet die katholische Kirche in die Defensive. So ist zunehmend
die Kirche aus der Öffentlichkeit zurückgedrängt worden, indem man einen massi-
ven Einfluss auf die Presse und die Verbände nahm, ein Programm zur Entkonfes-
sionalisierung startete und den Kampf um die Schule forcierte. Auch griff man zum
Mittel der Diffamierung. Hierbei nutzte man die publizistische Instrumentalisierung
der Sitten- und Devisenprozesse in den Jahren 1935 – 1937. Auch wurden in Ein-
zelfällen der Klerus und ebenso Laien bespitzelt und denunziert. Auch wurde den
Geistlichen ein Predigtverbot auferlegt, das beim Übertreten die Haft in einem Kon-
zentrationslager oder im Gefängnis nach sich zog. 
   

Vom päpstlichen Stuhl gab es lediglich als Reaktion auf die Vorgänge im Dritten
Reich die Enzyklika Mit brennender Sorge vom März 1937. Allerdings unterblieb
eine geplante Enzyklika zum Thema „Rassismus“.   

In Deutschland selbst bediente man sich der Mittel der Nichtanpassung durch
Sprachumprägungen, religiöse Großveranstaltungen, geheime Informations-
weitergabe und Ähnliches mehr. Allerdings verlagerte der wachsende Druck
auf die kirchlichen Großorganisationen die Aktivitäten in die Pfarrgemeinden.

Zur Reichspogromnacht (9. – 10. November 1938) schwieg dennoch die offi-
zielle katholische Kirche.

In den Jahren des Nationalsozialismus in Deutschland standen Gesichtspunkte,
wie Selbstbehauptung und Resistenz, im Vordergrund. Sie standen typisch für
das Verhalten der römisch-katholischen Kirche in dieser Zeit. Dies sicherte die
Seelsorge und die katholische Lehre. Daher überstand man als Großgruppe die
nationalsozialistische Zeit. Da man innerhalb seiner eigenen Grenzen blieb, ent-
stand im Nachhinein der Vorwurf des Institutionenegoismus. [4]    

ANMERKUNGEN
[1] Tim Dowley, 2000 Jahre Christentum (Geschichte, Glaube und Per-
     sönlichkeiten), Brunnen Verlag, Gießen 2009, Seite 150.
[2] Lexikon der Kirchengeschichte, Lexikon der Theologie und Kirche
     kompakt, Band 2: K-Z, Herder Verlag, Freiburg (Breisgau) 2001,
     Seite 1140.
[3] Adrienne von Speyr, Geburt der Kirche (Betrachtungen über Kapitel
     18 – 21 des Johannes-Evangeliums), Johannes Verlag, Einsiedeln
     (Schweiz) 1949, die Seite 63.
[4] wie [2], jedoch die Seiten 1139 – 1142.