DIE GRÜNDUNG DER KPD

AUTOR: Josef Theobald

VORWORT

Zur Zeit läuft bei Facebook eine Kampagne zugunsten von Wilhelm
Pieck (1876-1960), dem ersten und einzigen Präsidenten der DDR.
Pieck gehörte auch zu den Gründungsmitgliedern der KPD, wie das
Protokoll des Gründungsparteitages Auskunft gibt. Damals zum Ende
1918 gehörte er zum Präsidium des Gründungsparteitages. [1]

Bekanntlich war die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) eine
Abspaltung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Im
Zentrum stand hier der Spartakusbund, über den sich Lenin wie folgt
äußerte: „Übrigens ist der Name ‚Spartakusleute‘, den die deutschen
Kommunisten jetzt tragen, diese einzige Partei in Deutschland, die
wirklich gegen das Joch des Kapitalismus kämpft, von diesen ge-
wählt worden, weil Spartakus einer der hervorragendsten Helden
eines der großen Sklavenaufstände vor ungefähr 2000 Jahren war.“
[2]   

Die herausragenden Repräsentanten waren Rosa Luxemburg und
Karl Liebknecht.

BEITRAG

Die in Deutschland verstreuten Delegierten des Gründungsparteitages
kamen eigentlich nicht zusammen, um den 1. Parteitag der KPD abzu-
halten. Diese Reichskonferenz sollte vielmehr die Gründung vorberei-
ten. Erst am 1. Januar 1919 erklärte Karl Liebknecht, man könne die
Konferenz nachträglich als den 1. Parteitag betrachten. Die ursprüng-
liche Aufgabenstellung erklärt die mangelhafte Vorbereitung des Par-
teitages, der ja übereilt zusammentrat.

Die meisten Delegierten waren Vertrauensleute kleiner lokaler Gruppen.
Eine feste, einheitliche Ideologie fehlte vollkommen.

Später verließen 43 der Gründer die KPD: 17 schlossen sich 1920 der
Kommunistischen Arbeiterpartei (KAP) an oder tendierten zu ihr, sechs
gehörten 1921 zur Kommunistischen Arbeitsgemeinschaft (KAG) von
Paul Levi, elf nach 1928 zur Kommunistischen Partei-Opposition (KPO);
neun weitere traten aus der KPD aus bzw. wurden ausgeschlossen, ohne
sich einer Oppositionsgruppe anzuschließen.

Nach 1945 gehörten 22 KPD-Delegierte der SED an, sechs der SPD, acht
waren nicht politisch organisiert, 35 verstorben, von über 36 Personen war
nichts zu ermitteln.      

Der wohl prominenteste Aussteiger war Ernst Reuter (1889-1953), der ab
1948 als regierender Bürgermeister von Berlin bundesweites Ansehen er-
langte. Reuter war 1918 nach schwerer Verwundung (August 1915) und
Kriegsgefangenschaft in Russland Führer des Sowjetkommissariats für
Wolgadeutsche gewesen. Ende 1918 ist er nach Deutschland zurück-
gekehrt und war in der Berliner KPD aktiv. Im November 1921 wurde
er aber aus der KPD ausgeschlossen. 1922 wurde er erneut SPD-Mit-
glied. Nach der KZ-Haft 1933 emigrierte er 1935 in die Türkei, wo er
als Professor für Kommunalwirtschaft in Ankara arbeitete. 1946 kehrte
er nach Berlin zurück und wurde als SPD-Mitglied Teil des Stadtrates.
 
Mit der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht durch
rechte Freikorps im Januar 1919 und dem Tod von Franz Mehring
im Januar 1919 war die KPD ihrer klarsten Köpfe beraubt. Dazu
kam der Tod von Leo Jogiches im März 1919 infolge des wachsen-
den rechten Terrors in Deutschland. Damit verbunden war der Weg-
fall der demokratischen Variante im deutschen Kommunismus. [3]

Auch hatte sich jetzt plötzlich das Verhältnis der russischen Kommu-
misten zur SPD in Deutschland stark verschlechtert. Denn man gab
den deutschen Sozialdemokraten Philipp Scheidemann und Gustav
Noske die Mitschuld an der Ermordung von Rosa Luxemburg und
Karl Liebknecht. Von nun an galten diese als Henker der deutschen
Arbeiter, die damit der deutschen Bourgeoisie behilflich waren. An
anderer Stelle wird konkret von 15.000 ermordeten Kommunisten
gesprochen. [4]

Dieser Hass steigerte sich unter Stalin, der die Sozialdemokratie in
die Ecke des Kapitalismus rückte, dem der Garaus gemacht werden
müsse. [5]

So war es bei der Gründung der Sozialistischen Einheitspartei Deutsch-
lands (SED) im Jahre 1949 nicht verwunderlich, dass die alte SPD hier
mit der Zeit immer mehr an Einfluss verlor.

Von der Programmatik her hatte es die KPD immer schwer gehabt. Denn
Deutschland war im Vergleich zu Russland schon stark industrialisiert ge-
wesen. Mit Hilfe der SPD wurden die Rechte der Arbeitervertretungen in
den deutschen Betrieben gestärkt. Mit der Zeit konnte man sich lediglich
als Pendant zu den russischen Kommunisten etablieren.

Als eine typische Meinungsbildung aus der Gründerzeit der KPD sei
folgende genannt: „Wir haben das große Minette- und Kohlengebiet
an der deutsch-französischen Grenze. Es ist selbstverständlich: be-
halten wir die feste Saargrenze bei, dann müssen wir das Selbstbe-
stimmungsrecht der Völker durchführen. Aber dann wird es offenbar
so werden, dass die Bevölkerungsschichten, die zu Deutschland ge-
hörten, sich nicht nach Frankreich abwenden werden, und umgekehrt,
dass also wiederum dieses große, einheitliche Wirtschaftsgebiet zer-
rissen wird.“ [6]

Lenin schätzte zwar Rosa Luxemburg, kritisierte aber scharf ihre
halbmenschewistische (halbsozialdemokratische) Stellungnahme
in einer Reihe wichtiger Fragen des revolutionären Marxismus, be-
sonders in der nationalen Frage. [7]

Im Rahmen der Entstalinisierung in der Sowjetunion wurde Rosa
Luxemburg allerdings wieder rehabilitiert. Sie gilt heute noch bei
den Linken als die deutsch-polnische Vorzeigesozialistin.   
 
ANMERKUNGEN
[1] DIE GRÜNDUNG DER KPD, Herausgeber: Hermann Weber, Dietz
     Verlag, Berlin 1993, Seiten 337 + 49.
[2] Werke, Band 29, Seite 472.
[3] wie [1], jedoch die Seiten 35, 37, 353/54, 47 + 48.
[4] W. I. Lenin, Ausgewählte Werke in 6 Bänden, Band V, Dietz Verlag,
     Berlin-Ost 1987, Seite 240 + 557. Anmerkung: Lenin meint hier wohl
     die Toten des Ruhraufstandes und des kommunistischen Aufstandes
     an den Staatsgrenzen von Sachsen und Thüringen, die mit Hilfe der
     Reichswehr und der Einheiten rechter Freikorps (Brigade Ehrhardt)   
     niedergeschlagen wurden. Für den Aufstand an der Ruhr im März
     1920 sind uns allerdings lediglich weit mehr als 1000 Tote auf kom-
     munistischer Seite überliefert.    
[5] J. Stalin, Fragen des Leninismus, Dietz Verlag, Berlin-Ost 1951,
     Seite 223.
[6] wie [1], jedoch die Seite 205.
[7] W. I. Lenin, Ausgewählte Werke in zwei Bänden, Band I, Dietz
     Verlag, Berlin-Ost 1953, Seite 912.