DER BESUCH DER SENDEANLAGEN VON EUROPA 1

AUTOR: Josef Theobald

Am 28. Juli 2017 besuchte eine Gruppe des Verbandes der heimatkundlich-
historischen Vereine in Saarlouis (VHVS) die Sendeanlagen von Europa 1
in den Ortsteilen von Überherrn Felsberg-Berus. Die Exkursion fand  unter
der fachkundigen Führung von Herrn Melchior, einem früheren Mitarbeiter
der Radiostation, statt. Der Langwellensender in Felsberg-Berus wird heute
als Reservesender für Notfälle vorgehalten.   

EINFÜHRUNG

Die Langwellen sind elektromagnetische Wellen mit Wellenlängen von 1 – 10
km, entsprechend 300 – 30 kHz (für Hörfunk 1050 – 2000 m bzw. 285 – 150
kHz). Die Langwellen breiten sich als Bodenwelle aus, die der Erdkrümmung
durch Beugung folgen und in diesem Wellenlängenbereich kaum von der Erde
absorbiert werden. Deshalb ist die Reichweite auch groß (besonders über den
Meeren) und ebenso unabhängig von der Tageszeit. [1]

Die Anwendung der Langwelle im Hörfunkbereich war vor allem in Frankreich
und in den osteuropäischen Ländern verbreitet. Meist In den westeuropäischen
Ländern, wie Westdeutschland und Luxemburg, setzte man auf die Mittelwelle,
die besonders in den Nachtstunden wegen der Eigenschaft als Raumwelle an
Bedeutung gewann. So war der Sender Heusweiler (1421 kHz) von SR1 – Eu-
ropawelle Saar in dieser Zeit auch in Nordafrika zu hören. Der Sender Marnach
(1440 kHz) von RTL Radio war mit seinem englischsprachigen Programm nachts
in weiten Teilen Großbritanniens zu empfangen.

Einer der wenigen Langwellensender in der alten Bundesrepublik war jener in Done-
bach (Ortsteil von Mudau im Neckar-Odenwald-Kreis), von dem die Sendungen des
Deutschlandfunks auf der Frequenz von 153 kHz ausgestrahlt wurden. Zielrichtung
war hier die frühere DDR, die selbst zwei Langwellensender beherbergte. Es war
zum einen der Deutschlandsender (177 kHz), der in Oranienburg-Zehlendorf sei-
nen Standort hatte und zum andern Radio Wolga, der Sender der sowjetischen
Streitkräfte in der DDR, dessen Sender sich in Burg bei Magdeburg (261 kHz) be-
fand. Diese Radiostation galt an den Werktagen am Mittag und am Vorabend als
Relais für die deutschsprachigen Sendungen von Radio Moskau.

Im Jahre 1958 wurde die Langwelle zu einem Politikum zwischen der früheren
Sowjetführung und der chinesischen Staatsführung. Hier ging es darum, eine
von einem Sowjetkommando kontrollierte gemeinsame Flotte und einen Lang-
wellensender aufzubauen. Dies wurde damals als ein Versuch gewertet, China
militärisch zu kontrollieren. [2]

GESCHICHTE DES SENDERS

Während des II. Weltkrieges arbeiteten sowohl französische als auch deutsche
Techniker der Telefunken AG beim Fernsehsender Paris. Weil aber nach dem
Krieg in Deutschland die entsprechende Infrastruktur zum Erliegen kam, blieben
die deutschen Kollegen weiterhin in Frankreich. So konnte im Oktober 1947 mit
einem regulären Programm von 12 Stunden gestartet werden. Aus diesem Um-
feld kamen auch die Bemühungen, neben dem Saarländischen Rundfunk eben-
falls Radio- und Fernsehsender mit entsprechender Konzession zuzulassen, die
auch ganz oder teilweise in ausländische Hände ging. Damals war man dem Trug-
schluss erlegen, die Aufrechterhaltung eines eigenen privaten Fernsehnetzes sei
mit Hilfe befreundeter Gesellschaften durchaus möglich. Doch blieb allerdings der
private Fernsehbereich stets defizitär. Das weitere Projekt „Europa 1“ dagegen ge-
wann im Laufe der Jahre immer mehr an Bedeutung. Man schaffte es hier sogar, in
die Gewinnzone zu kommen. [3]

In der zweiten Hälfte der Fünfziger Jahre begann sich allgemein die Situation im
Fernsehbereich zu wandeln. Das teure Fernsehen war nur noch durch Gebühren
zu finanzieren. Hier gingen allerdings die Zuwächse bei den Einnahmen zurück,
aber gleichzeitig nahmen die Ausgaben immer mehr zu. Die Einnahmen aus dem
Werbefunk, die bislang notleidende kulturelle Institutionen unterstützt hatten, sind
nun von den Anstalten für sich selbst verwendet worden. [4]     

Nachdem die technischen Studien zur Bestimmung des Senderstandortes den Sau-
berg als bestgeeigneten Standort identifiziert hatten und die beiden 200 kW-Sender
bei Thomson in Auftrag gegeben worden waren, wurde im Juni 1954 mit dem Bau
der Sendestation begonnen. Als Architekt für das von vornherein als symbolträchtig
geplante Gelände wurde zunächst der Franzose Jean Francois Guédy gewonnen,
der – inspiriert von den im Saargau häufig aufzufindenden Versteinerungen in den
Muschelkalksedimenten – die Senderhalle als gigantische Muschelkonstruktion ent-
warf. Die verglaste Spannbetonhalle mit Hängedach stand architekturhistorisch in
der Tradition des Zeltbaues, stellte jedoch wegen des für die hängende Decke ver-
wendeten Baumaterials (Spannbeton) eine architektonische wie materialtechnische
Herausforderung ersten Grades dar. Dieser war nur sein Nachfolger gewachsen, der
frühere Generalinspektor für Brücken und Straßen in Frankreich Eugène Freyssinet.
Er ließ zur Verstärkung in Querrichtung sechs zusätzliche Zugbänder einbauen. Bis
zur Fertigstellung dienten Holzbaracken als Provisorium für die Sendeanlage. Somit
war der Sendebetrieb zum 1. Januar 1955 möglich.

Nach dem Sendebeginn gab es mehrere Beschwerden wegen der möglichen Inter-
ferenzen. Am hartnäckigsten waren die Beschwerden von Radio Luxemburg. Hier
war ausschlaggebend der Konkurrenzkampf zwischen zwei privaten Gesellschaften.
Die Luxemburger sahen „Europa 1“ als illegalen Aggressor, der die gewachsenen
Rechte von Radio Luxemburg verletzt. Damit war die Rolle der Saarländischen Re-
gierung als Vermittler gefragt. Bei einem Treffen am 2. März 1955 wurden verschie-
dene Lösungen diskutiert. Schließlich einigte man sich darauf, künftig die Frequenz
182 kHz zu nutzen. Spätere Testsendungen hatten ergeben, dass es nicht zu den
befürchteten Interferenzen kam. Dabei nahm man billigend in Kauf, dass der in der
DDR befindliche Deutschlandsender aus Oranienburg gestört wurde. Dieser wurde
im Westen als kommunistischer Propagandasender eingestuft. Am 21. April 1975
einigten sich deutsche und französische Experten darüber, dass sowohl Frankreich
als auch Deutschland zwei Langwellenfrequenzen zugesprochen wurden. Auf der
deutschen Seite betraf dies die Zweitfrequenz 209 kHz für den Deutschlandfunk.
Mit dem Inkrafttreten des Genfer Wellenplans bezüglich der Langwelle am 13. 11.
1978 waren nun damit offiziell die langjährigen deutsch-französischen Streitigkeiten
um den internationalen Status von „Europa 1“ beigelegt, da dessen Frequenz fortan
Frankreich zugeteilt war.

Mit dem Sendebetrieb musste in kürzester Zeit eine Redaktion aufgebaut werden,
die dem Sender ein eigenes Profil geben musste. Erster Programmchef war Pierre
Sabbagh, ein damals erfahrener Rundfunkmann. Die weiteren Journalisten kamen
von den Printmedien und mussten erst das Rundfunkhandwerk bei „Europa 1“ er-
lernen. Es herrschte eine erfrischende Unkonventionalität in der Programmgestal-
tung vor. Dies machte den Sender „Europa 1“ in relativ kurzer Zeit zu einem der be-
liebtesten und meistgehörten Sender im französischsprachigen Raum. Daran sehr
großen Anteil hatten Louis Merlin und Charles Michelson, die man vom Konkurren-
ten Radio Luxemburg abwerben konnte. Gemeinsam mit einer jungen Mannschaft
von engagierten und experimentierfreudigen Journalisten entwickelte Merlin neue
Sendeformate, die sich besonders durch einen direkteren wie authentischen Stil
auszeichneten. Auch setzte man eine Trennung von Werbung und Unterhaltungs-
bzw. Informationsformaten durch, das eine größere Flexibilität in der Programm-
planung ermöglichte. Dies wurde sowohl von den Sponsoren als auch von den
Hörern gleichermaßen als attraktive Neuerung empfunden.

Als Beispiel soll hier der Stil der Berichterstattung angesichts der großen Über-
schwemmungen im September 1955 gelten, als die Seine an zahlreichen Stellen
über die Ufer trat und große Landstriche unter Wasser setzte. Mit Hilfe der neuen
portablen Magnetaufzeichnungsgeräte aus der Schweiz (Firma Nagra) wurde die
neue Form eines Sensationsjournalismus möglich, der sich durch erhöhte Authen-
tizität und Unmittelbarkeit auszeichnete.

Die finanziellen Schwierigkeiten der französischen Radioindustrie und der kredit-
gebenden Bank wirkten sich unmittelbar auf die Finanzlage des Senders aus, der
seinen Angestellten im Laufe des Jahres 1955 mehrfach Geldeinbußen oder gar
Kündigungen zumuten musste. Erst der Einstieg von Sylvain Floirat von Anfang
1956 an sorgten für eine finanztechnische Stabilisierung der Lage.

In den Folgejahren konzentrierte man sich verstärkt auf den kommerziellen Hör-
funk und trennte sich von der Fernsehsparte. Auf der Vorstandssitzung vom 26.
Juni 1959 wurde daraufhin beschlossen, die Saarländische Fernseh-AG umzu-
benennen und ihr den neuen Firmennamen „Europäische Rundfunk- und Fern-
seh-AG“ zu geben. [3] Hiermit wurde dem verstärkten europäischen Gedanken
in dieser Zeit Rechnung getragen.

Wie in Deutschland sorgten die privaten Radiostationen innerhalb eines öffentlich-
rechtlichen Systems auch in Frankreich für heiße Diskussionen. Den Ausweg fand
man in der staatlichen Beteiligung an den privaten Sendern. So entstand die vom
französischen Staat kontrollierte Beteiligungsgesellschaft SOFIRAD, Bei der „Eu-
ropäischen Rundfunk- und Fernseh-AG“ bedeutete dies, dass die SOFIRAD in den
Achtziger Jahren noch mit 34 % am Unternehmen beteiligt war. Durch die Doppel-
stimmrechte und weiteren Absprachen hielt man mehr als 55 % der Stimmrechte,
so dass die SOFIRAD im Namen der französischen Regierung praktisch Haus-
herr war. [5] So war das Sendegelände in Felsberg-Berus französisches Sperr-
gebiet und unterstand französischen Hoheitsrechten. Die Sendestudios standen
in Paris. Über eine telefonische Standleitung wurden die Sendungen nach Fels-
berg-Berus überspielt und mit der dortigen Technik ausgestrahlt.  

Das Konzept des Hörfunks in Frankreich unterscheidet sich gewaltig von dem
in Deutschland. Bei uns regiert das Musikformat. Die Gründe liegen in den An-
fängen des privaten Rundfunks, als die Diskotheken starken Einfluss auf das
Musikprogramm ausübten. Hier hat die Musik Vorrang vor dem gesprochenen
Wort. In Frankreich hat das Wort einen höheren Anteil. Dies gilt ebenso für die
kombinierten Wort- und Musikprogramme. Demnach besteht ein Großteil des
Programmes aus Talk-Sendungen bzw. Sendungen mit Hörerbeteiligung. Nach-
richten, Hintergrundsendungen, Interviews, Comedy- und Spielshows nehmen
ebenfalls einen breiten Raum ein. Die Musik-Sender haben also in Frankreich
nicht die Popularität wie bei uns. Da bis 1981 in Frankreich keine Privatsender
zugelassen waren, war man auf Langwellensender angewiesen, die vom grenz-
nahen Ausland Programme für französische Hörer ausstrahlten. Daher hatte die
Langwelle in Frankreich eine andere Bedeutung als in Deutschland.     

Mit der Liberalisierung der Radioszene im Saarland ist mit der „Euro-Radio-Saar
GmbH“ eine neue Ära eingeleitet worden. Man erhielt nun eine feste UKW- (FM-)
Frequenz zugeteilt und man konnte am 31. Dezember 1989 die ersten Sendungen
unter dem Namen „Radio Salü“ ausstrahlen. Damit waren die langjährigen Bemü-
hungen der „Europäischen Rundfunk- und Fernseh AG“ von Erfolg gekrönt, von
jetzt an im Saarland ein deutschsprachiges und kommerzielles Hörfunkprogramm
auszustrahlen. Denn die bisherige Lesart der Privatfunkklausel im Saarländischen
Rundfunkgesetz beschränkte den kommerziellen Hörfunk auf französischsprachige
Programminhalte.

Die „Europäische Rundfunk- und Fernseh-AG“ und ihre Beteiligungen gehören
heute zur Groupe Lagardère, einem großen französischen Medienkonzern.

ANMERKUNGEN
[1] Meyers Lexikon der Naturwissenschaften, im Meyers Lexikonverlag er-
     schienen, Mannheim 2008, Seite 528.
[2] CHRONIK DER VOLKSREPUBLIK CHINA (1949-1984), im Verlag für
     fremdsprachige Literatur erschienen, Beijing (China) 1986, Seite 22.
[3] Medienlandschaft Saar von 1945 bis in die Gegenwart, Band I: Medien
     zwischen Demokratisierung und Kontrolle (1945-1955), R. Oldenbourg
     Verlag, München 2010, die Seiten 246, 250/51, 280 – 295.
[4] Konrad Dussel, Deutsche Rundfunkgeschichte, 2. überarbeitete Auflage,
     UKV-Verlagsgesellschaft, Konstanz 2004, Seite 201.     
[5] SOFIRAD – DER STILLE RIESE, Autor: Thomas Kossatz, im Kurier Nr.
     15/16 – 1984 der ADDX e. V., die Seiten 7/8.  
 

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