DAS SCHWIERIGE DEUTSCH-POLNISCHE VERHÄLTNIS

AUTOR: Josef Theobald

Besonders nach dem II. Weltkrieg war das deutsch-polnische Verhältnis
stark belastet. Die polnische Bourgeoisie, die in den Nachkriegsjahren
noch großen Einfluss hatte, schürte vor allem nationalistische Gefühle
und scheute sich nicht, gegenüber der Sowjetunion chauvinistische Ab-
sichten zu offerieren. Vor allem Wladislaw Gomulka (1905-1982) ist in
Polen wegen seiner nationalistischen Auffassungen auffällig geworden.
So trat er für die wahre Unabhängigkeit Polens ein. [1]

In den polnischen Quellen der Siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts
begegnet uns Polen als einheitlicher Nationalitätenstaat ohne eine
wirkliche Existenz nationaler Minderheiten, wenn man die Ukrainer
außer Acht lässt. In diesem Zusammenhang verneinte man eine in
diesem Gebiet vorherrschende deutsche Kultur. Spätestens mit dem
Abschluss des Warschauer Vertrages am 7. Dezember 1970 war für
Polen jedes Argument früherer deutscher Besiedlung vom Tisch, das
man als Relikt revisionistischer Handlungen aus der Zeit der früheren
Adenauer-Regierung ansah.

Nach dem II. Weltkrieg ist im Rahmen des Potsdamer Abkommens
ein altes Kohlenrevier von Deutschland abgetrennt worden. Hier ist
es vor allem Oberschlesien (polnisch: „Gorny Slask“). [2]

Ab 1772, im Rahmen der ersten Teilung Polens durch Preußen, Öster-
reich und Russland, wurden große Teile von Westpreußen und Posen
germanisiert, indem man Land aus den Staatsdomänen an deutsche
Kolonisten verkaufte oder verlieh, die deutschen Kapitalisten bei der
Errichtung von Fabriken in jenen Landstrichen unterstützte und leider
sehr oft auch äußerst despotische Maßnahmen gegen die polnischen
Bewohner des Landes ergriff. Hätte man aber der polnischen Bevölke-
rung ausgedehnte Gebiete im Osten überlassen, so hätten sie über den
Westen eher ein vernünftiges Wort  mit sich reden lassen können. Riga
und Mitau wären ihnen schließlich ebenso wichtig erschienen wie Danzig
und Elbing.

Die Bedeutung des deutschen Elements in den slawischen Grenzgebieten,
die mit dem Wachstum der Städte, des Handels und der Industrie zunahm,
steigerte sich noch, als es sich zeigte, dass fast alles, was zur geistigen
Kultur gehört, aus Deutschland eingeführt werden musste; nach dem
deutschen Kaufmann und Handwerker begann der deutsche Geistliche,
der deutsche Schulmeister, der deutsche Gelehrte sich auf slawischem
Boden niederzulassen. 

Einen großen Einfluss auf die sozialistische Propaganda unter den Arbeitern
hatten die im Jahre 1844 stattfindenden Aufstände schlesischer Weber in den
großen Dörfern Langenbielau und Peterswaldau. Diese wurden schließlich
durch das Militär niedergeschlagen. [3] Meines Wissens waren aber diese
rein deutsche Ansiedlungen. Von Polen ist hier nirgends die Rede.

Dies war im deutsch-polnischen Verhältnis stets ein Manko gewesen. In
den letzten Jahren hat sich das deutsch-polnische Verhältnis wesentlich
gebessert. Man räumt zunehmend die Fehler in der Vergangenheit ein.

Eine große Belastung im bilateralen Verhältnis bleibt die Zeit des II. Welt-
krieges. In Polen geht man von 6 Millionen Menschen aus, die als Tote
Opfer der deutschen Okkupation wurden. Dazu kommen Millionen von
Menschen, die ihre gesamte Habe verloren und ausgesiedelt wurden.
Millionen wurden als Zwangsarbeiter zur Sklavenarbeit gezwungen. [2]

Denn Polen trug während des II. Weltkrieges die Hauptlast der Kämpfe
durch die deutsche Wehrmacht. Dies kann niemand bestreiten. Nicht zu
bestreiten ist ebenfalls der Missbrauch des polnischen Gebietes für den
Aufbau von Vernichtungslagern. Die größten und zahlreichsten Konzen-
trationslager (KZ) befanden sich auf polnischem Territorium.  
 
ANMERKUNGEN
[1] Enver Hoxha, Die Chruschtschowianer, Verlag „8 NENTORI“, Tirana
     (Albanien) 1980, die Seiten 323, 327 + 329.
[2] FAKTEN ÜBER POLEN, eine mehrteilige Dokumentation, im Verlag
     INTERPRESS, Warschau (Polen) 1977.
[3] Karl Marx – Friedrich Engels, Über Deutschland und die deutsche
     Arbeiterbewegung, Band 2 (Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts),
     Dietz Verlag, Berlin-Ost 1970, die Seiten 399, 428/9 + 676.
 

NACHTRAG

Unter der sozial-liberalen Bundesregierung mit Willy Brandt als Bundes-
kanzler kam es zu Verhandlungen mit der Volksrepublik Polen mit dem
Ziel, die gegenseitigen Beziehungen zu normalisieren. Dabei kam es zu
einem Vertrag mit Polen vom 7. Dezember 1970, der eine definitive An-
erkennung der Westgrenze, der Oder-Neiße-Linie, beinhaltete. Weiterhin
wurde in diesem Zusammenhang vereinbart, gegeneinander keinerlei Ge-
bietsansprüche zu haben und solche auch in Zukunft nicht zu erheben. So
spielte man auf die bisherige Bonner Politik an, die von einer Unteilbarkeit
der Grenzen Deutschlands ausging. Dies wurde in Polen als eine revisio-
nistische Forderung betrachtet, die von der Fiktion ausging, dass weiter-
hin von einem juristischen Fortbestehen des Deutschen Reiches in den
Grenzen vom 31. Dezember 1937 auszugehen wäre.