AUTOR: Josef Theobald
 Anlässlich des Besuchs des damaligen Ministerpräsidenten des Saarlandes,
 Oskar Lafontaine, in der DDR im November 1985 und nach dem Treffen mit
 dem Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker wurde vereinbart, dass sich die
 DDR gegenüber der Bundesrepublik weiter öffnet. In den deutsch-deutschen
 Beziehungen ist ein Tauwetter entstanden. Dies hatte aber den Grund in der
 schlechten wirtschaftlichen Lage der damaligen DDR. Die Saarlouiser Stadt-
 väter liebäugelten zunächst mit Halberstadt im Harz. Doch wurde in den er-
 folgten Verhandlungen die brandenburgische Stadt „Eisenhüttenstadt“ favo-
 risiert. Damals munkelte man, dass hierfür der Grund in der erwarteten Re-
 publikflucht der Grenzbewohner läge, die unweit von der deutsch-deutschen
 Grenze ihr Zuhause hatten. Dies war bei Eisenhüttenstadt nicht zu befürchten.
 So unterzeichneten am 19. September 1986 die Oberbürgermeister den
 Partnerschaftsvertrag zwischen Saarlouis und Eisenhüttenstadt, Manfred
 Henrich und Manfred Sader. Als einer der Drahtzieher im Hintergrund gilt
 Heinz Blatter, als ehemaliges DKP-Mitglied und Fraktionsvorsitzender der
 Grünen im Saarlouiser Stadtrat.
 Die ehemalige Stalinstadt entstand 1950 zunächst auf dem Reißbrett. Sie
 war als Schlaf- und Wohnstätte des naheliegenden Eisenhüttenwerkes ge-
 plant gewesen. Das in den Sechziger Jahren ausgebaute VEB Eisen- und
 Hüttenkombinat Ost, heute EKO Stahl GmbH, gewann mit dem wachsenden
 Bedarf von Stahlprodukten an Bedeutung.
 Mit der Veränderung der Wirtschaftspolitik in der Sowjetunion sah man die
 im Kapitalismus vorherrschende Kombination, also eine Vereinigung der
 verschiedenen Industriezweige zu einem einzigen Unternehmen, als die
 neue Leitlinie in der sozialistischen Ökonomie an. Man glaubte, dass das
 sozialistische System die aus dem Kapitalismus herrührenden Nachteile
 dieser Konfiguration ausgleichen würde.    
 Die Versorgung mit Rohstoffen erfolgte aus den ukrainischen Eisenerzgruben
 und aus den polnischen, ehemals oberschlesischen, Kohlegruben.
 Doch die DDR-Wirtschaft hatte die gleichen Probleme wie die Sowjetwirtschaft:
 fehlende Effizienz und Vergeudung von Ressourcen. Dadurch war einfach der
 im Staatshaushalt der DDR vorgesehene Anteil für die Subventionierung des
 täglichen Bedarfs und die damit verbundenen sozialen Errungenschaften nicht
 mehr finanzierbar. Man musste sich daher auf Kosten des Westens verschulden.
 Nach dem Fall der Mauer oder nach der DDR-Lesart „nach dem Abriss des anti-
 faschistischen Schutzwalls“ und nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik
 eröffneten sich andere Dimensionen. So gehört heute EKO Stahl zum interna-
 tionalen ArcelorMittal-Konzern.
NACHTRAG
 „Eisenhüttenstadt“ ist eine Stadt am Westufer der mittleren Oder, südlich von
 Frankfurt (Oder), der ehemaligen Bezirkshauptstadt, Teil des heutigen Bundes-
 landes „Brandenburg“, entstand 1961 durch die Vereinigung der Stadt Fürsten-
 berg (Oder) und der Gemeinde Schönfließ mit der 1950 bis 1953 ausgebauten
 Wohnstadt „Stalinstadt“ des seit 1950 errichteten späteren Eisenhüttenkombi-
 nats Ost der DDR. Nach der nach dem XX. Parteitag der KPdSU einsetzenden
 Entstalinisierung wurde die Stadt in „Eisenhüttenstadt“ gemäß dem Kombinat
 unbenannt. Im Jahre 1986 hatte „Eisenhüttenstadt“ 52.000 Einwohner. Der Be-
 zirk Frankfurt (Oder) zählte 711.000 Einwohner. Quelle: Haack Kleiner Altlas.   
  

