AUTOR: Josef Theobald
 In diesem Jahr wäre Karl Marx 200 Jahre alt geworden. Er lebte von 1818
 bis 1883 und gilt bis heute als der geistige Kopf der Arbeiterbewegung des
 19. Jahrhunderts. Auf ihn hauptsächlich geht der später propagierte wissen-
 schaftliche Sozialismus zurück. In der Zeit des noch bestehenden kommuni-
 stischen Blocks galt Marx als der Begründer des Marxismus-Leninismus.
 Der aus jüdischen Verhältnissen stammende Marx hatte seine Stationen in
 Köln, Paris, Brüssel und London. Sein Großvater Levy Marx (1743-1804)
 war in den Städten Saarlouis und Trier als Rabbiner tätig gewesen. Dieser
 stammte aus dem böhmischen Postelberg und trug den Namen Mordechai.
 Sein Vater Heinrich Marx (1777-1838) konvertierte wegen seines beruflichen
 Fortkommens zum evangelischen Glauben und war zuletzt als Justizrat in der
 Stadt Trier, dem Sitz der preußischen Bezirksregierung, tätig. Eigentlich hatte
 K. Marx eine Hochschullaufbahn angestrebt. Doch die damals judenfeindliche
 Atmosphäre hatte dies vereitelt. So machte sich Marx einen Namen als Autor
 und Redakteur verschiedener Zeitungen. Im Jahre 1864 war er federführend
 an der „Internationalen Arbeiterassoziation“ (I. Internationale) beteiligt. Auch
 arbeitete er Im Hintergrund an der Gründung einer Sozialdemokratischen Ar-
 beiterpartei (SDAP – Eisenacher) in Deutschland. 1875 beobachtete er sehr
 kritisch die Vereinigung in Gotha zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutsch-
 lands (SAP).
     
 In seinen späten Jahren behauptete Marx, die russische Gemeinde sei in
 Europa die einzige noch organische, vorherrschende Form im Landleben
 eines ungeheuren Reiches. Das Gemeineigentum an Grund und Boden
 biete ihr deshalb die natürliche Basis der kollektiven Aneignung und ihr
 historisches Milieu, die Gleichzeitigkeit mit der kapitalistischen Produktion,
 bietet ihr fix und fertig dar die materiellen Bedingungen der in großem Maß-
 stabe organisierten kollektiven Arbeit. [1]
 Zunächst hatte Friedrich Engels diese Meinung in seiner Schrift „Soziales
 aus Russland“ geteilt. Die in Westeuropa erstrebte Form des Sozialismus
 würde zuerst in Russland eingeführt. Denn damals gab es ja in Russland
 Persönlichkeiten, die vor allem das russische Volk sozusagen als das aus-
 gewählte Volk des Sozialismus ansahen. Sie begründeten dies besonders
 mit dem Gemeindeeigentum an Grund und Boden. [2]
Erst in seinen Spätwerken ging Engels auf Distanz dazu.
 Im Nachwort von 1894 zu „Soziales aus Russland“ stellte er fest, dass die
 russische Gemeinde zwar Hunderte von Jahren bestanden hatte. Es sei
 aber aus ihr nie ein Antrieb hervorgegangen, um selbst eine höhere Form
 des Gemeineigentums entwickeln zu können. Die russische Gemeinde
 könne nur dann auf eine höhere Stufe gestellt werden, wenn zum einen
 das westeuropäische Proletariat über die Bourgeoisie gesiegt und zum
 anderen die gesellschaftliche Produktion die kapitalistische ersetzt hätte.
 [3]
Wie ist es zu dieser Fehleinschätzung gekommen?
 Es waren russische Publizisten im Ausland, wie A. I. Herzen, die ein der-
 artiges Bild von der russischen Landgemeinde zeichneten. Lenin sprach
 davon, dass dieser 1847 Russland verließ, das revolutionäre Volk nicht
 gesehen und den Glauben an dieses Volk nie besaß. Herzen galt als der
 Begründer des „russischen“ Sozialismus der „Volkstümlerrichtung“, etwa
 mit einer sozial-liberalen Bewegung in Westeuropa vergleichbar. Damals
 kämpften die revolutionären Bauern als Besitzer und Kleineigentümer für
 die Beseitigung des gutsherrlichen Grundbesitzes bis zur Aufhebung des
 Privateigentums am Grund und Boden. Herzen allerdings erblickte in der
 Befreiung der Bauern mit Landzuteilung, im Grundbesitz der Dorfgemein-
 den und in der bäuerlichen Idee vom „Recht auf Grund und Boden“ den
 Sozialismus. [4]  
 Die Ausgewählten philosophischen Schriften A. I. Herzens (1812-1870)
 wurden erstmals 1949 in der Sowjetunion in deutscher Übersetzung her-
 ausgegeben. Herzen gibt hier einen Überblick über das feindliche Lager,
 das dem offiziellen Russland gegenüberstand. Das waren allerdings nur
 vereinzelte Kämpfer, die in den Kasematten eingesperrt, gefoltert, nach
 Sibirien verschickt und durch neue Kämpfer ersetzt wurden. Das macht
 wohl die russische Tradition, das Majorat, aus (Seite 513).
zur Dorfgemeinde als ein wesentlicher Hemmschuh heraus. So verweigerte
man in Russland dem Bauern den freien Zugang zur Fabrik. Der Bauer hatte
aufgrund der solidarischen Haftung und der Erschwerung des Austritts aus der
Dorfgemeinde nicht, wie in anderen westeuropäischen Ländern, die volle Frei-
heit, sich nun den für ihn vorteilhaftesten Unternehmer auszusuchen, während
es der Unternehmer glänzend verstand, hier den billigsten Arbeiter ausfindig zu
machen. [5]
ANMERKUNGEN
Seite 385.
Verlag, Berlin-Ost 1966, Seite 43.
Seiten 426/27.
Dietz Verlag, Berlin-Ost 1970, Seite 676/77.
539.

