DIE WALPURGISNACHT

AUTOR: Josef Theobald

In der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai wird mancherorts „Walpurgis“,
die Hexennacht, gefeiert. Die Kelten nannten ihr Frühlingsfest „Beltane“
oder „Beltaine“. Es war ein Fest der aufs Neue erwachenden Vegetation.
Der Sonnengott sei jetzt, so die Vorstellung, aus dem Knabenalter ent-
wachsen und zum geschlechtsreifen Jüngling geworden. Das Land sei
reif, um befruchtet zu werden. Zwischen dem Druiden und seiner Frau
fand eine rituelle Hochzeit statt. Es sollen in dieser Nacht wilde eksta-
tische Feste, mit Rauschmitteln (Tollkirsche, Fliegenpilz, Alkohol usw.)
verstärkt, begangen worden sein.

Nach einer Quelle aus dem Jahre 1752 sollen Sachsen, nachdem sie
von Karl dem Großen besiegt worden waren, in dieser Nacht verbote-
nerweise weiterhin den alten heidnischen Riten gefolgt sein.

Nach alter Auffassung tanzten auf dem Brocken oder Blocksberg im
Harz zu Walpurgis die Hexen. Der Name des Berges kommt von den
großen Steinbrocken (Blöcken) oberhalb der Baumgrenze.

Gegen die Gefahr durch böse Geister wurde „Walburga“ angerufen.
Vielleicht hat sie dies ihrer Namensähnlichkeit mit der Bezeichnung
„Walpurgis“ zu verdanken. Die in England um das Jahr 710 gebore-
ne „Walburga“ (gest. 779) folgte ihren Brüdern auf den Kontinent und
stiftete in Heidenheim (Bayern, bei Gunzenhausen) ein Doppelkloster.
Sie galt bald als eine wichtige Heilige im Volk, die das wertvolle Vieh
vor den Umtrieben der Hexen schützen konnte. [1]

Der Begriff „Hexe“ stammt aus der Südwestschweiz und meinte (ent-
sprechend italienisch „stregha“) um 1400 einen bösen Menschen, der
mit Hilfe geheimnisvoller Kräfte Schaden zufügt. Infolge der Hexenver-
folgungen im 15. und 16. Jahrhundert verbreitete sich der Begriff über
weite Teile des deutschen Sprachraums. In der lateinischen Rechts-
terminologie hießen Hexen auch in Deutschland „malefici“.   

Über das Hexenproblem gab es unterschiedliche Vorstellungen.
Für mittelalterliche Theologen, wie Bischof Burchard von Worms
(965-1025) waren jenseits der Superstitionskritik „Hexen“ die Per-
sonen, die sich selbst, durch teuflische Illusionen verblendet, die-
jenigen Kräfte zuschreiben, die sie in Wirklichkeit nicht besaßen.
Nach dieser Definition mussten die Hexen nicht verfolgt, sondern
geistlich unterrichtet werden. Spätmittelalterliche Theologen, wie
der gelehrte Dominikaner Heinrich Kramer (Institoris / 1430-1505),
der Verfasser des „Hexenhammers“ (Malleus maleficarum, Speyer
1487) sahen in den Hexen Teilnehmer an einer großen, gegen die
Christenheit gerichtete Verschwörung, einer Ketzerbewegung, die
immensen Schaden anrichtete und daher physisch vernichtet wer-
den musste. Frühneuzeitliche Verfolgungsgegner wie der Arzt Jo-
hann Weyer (155-1588), sahen dagegen bei den Hexen eher me-
lancholische Frauen, denen man mit Nachsicht und Liebe begeg-
nen sollte, um sie von ihrer Krankheit zu heilen. [2]

Die Hexe war nach den Maßstäben eines großen, überwiegenden
Teils der Zeitgenossen der großen Verfolgungen, mit ihren Höhe-
punkten um 1590, um 1630 und 1660, eine Verbrecherin (auch ein
Verbrecher, da Männer ebenfalls häufig, aber seltener als Frauen,
der Hexerei bezichtigt wurden), eines „Superverbrechens“ schuldig.
Gewöhnlich wurden den Delinquenten von der Absage an Gott und
der Beleidigung seiner Ehre bis hin zum Beischlaf mit dem Teufel,
Beteiligung am Hexensabbat und Schadenszauber so ein ganzes
Bündel von Delikten zu Last gelegt. Aus der Perspektive der Ge-
sellschaft ihrer Epoche war Hexerei also nichts anderes als ein
Verbrechen, wenngleich ein besonders schweres und daher mit
grausamen Strafen belegt. Die große Mehrheit der Menschen
glaubte zweifellos an die Existenz von Hexen oder gar an eine
„Hexensekte“; man war tatsächlich der Meinung, mit dem Teufel
verbündete, sich übersinnlicher Kräfte bedienende Feinde Gottes
und der Menschen zu verfolgen. [3]

Der Trierer Weihbischof Peter Binsfeld verband in seinem Traktat
„De confessionibus maleficorum et sagarum“ (deutsch: „Von den
Bekenntnissen der Hexen und Zauberinnen“ / Trier 1589) schola-
stische, also eine dem Mönchtum entlehnte Theologie mit den Bei-
spielen aus jüngsten Verfolgungen in seinem Amtsbereich. Darin
folgte ihm auch der Lothringer Generalstaatsanwalt Nicola Rémy
in seiner „Daemonolatria“ (Lyon 1595).

Im frühen 17. Jahrhundert wuchs auf jesuitischer Seite der Wider-
stand gegen die Hexenverfolgung. Genannt seien hier die Patres
Adam Tanner (Theologia Moralis, Ingolstadt 1627) und Friedrich
Spee (Cautio Criminalis, deutsch: Behutsamkeit, die Verbrechen
betrifft / Rinteln 1630), die anzutreffende Verfolgungen vor allem
mit juristischen Gründen angriffen, dies allerdings mit einiger Effi-
zienz. [4]    

ANMERKUNGEN
[1] Hans-Peter Ebert, FESTTAGE ZUM NACHLESEN (Hintergründe
   zu Zeitrechnung und Brauchtum), erschienen 2001 im DRW-
Verlag Weinbrenner in Leinfelden-Echterdingen 2001, Sei-
ten 84/5.

[2] Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe, herausgegeben
   von Peter Eicher, Band 2, Kösel Verlag, München 2005, die
Seite 118.
[3] Bernd Roeck, Außenseiter, Randgruppen, Minderheiten (Fremde
   in Deutschland der frühen Neuzeit), Kleine Vandenhoeck-Reihe,
   Göttingen 1993, Seite 54. 

[4] wie [2], jedoch die Seite 119.