AUTOR: Josef Theobald
Jedes Jahr feiert man in China am 5. Tag des 5. Monats nach
 dem Mondkalender das Drachenbootfest als Versinnbildlichung
 der Suche im Fluss nach der Leiche von Qu Yuan.
An diesem Tag macht man Zongzi (in Bambus- und Schilfblätter
 eingewickelte Klebreisklößchen) und veranstaltet Drachenboot-
 rennen. Einige Leute werfen sogar Zongzi in den Fluss. Heute
 nimmt man an, dass die Reispäckchen ursprünglich Opfergaben
 an Qu Yuans Geist gewesen seien, die in den Fluss geworfen 
 wurden. Um zu verhindern, dass nun Drachen sie verspeisten, 
 wurden abschreckende, bunte Seidenfäden daran gebunden. 
 So gedenkt man mit diesem Fest dem patriotischen Dichter 
 Qu Yuan (ca. 340-278 v.u.Z.).
Qu Yuan war ein Beamter des Reiches Chu in der Periode der
 Streitenden Reiche. Damals war das Reich Qin sehr stark. Doch
 der König von Chu verwarf Qu Yuans Vorschlag, sich mit dem
 Reich Qi gegen das Reich Qin zu vereinigen, sondern schenkte
 anderen Beratern sein Vertrauen und war im Übrigen nur auf das
 augenblickliche Wohlergehen bedacht.
Qu Yuan stellte fest, dass diese Berater kurzsichtig und feige waren 
 und dem Reiche Qin immer mehr Zugeständnisse machten und um
 des Friedens willen Territorien abtraten. Eines Tages machte Qu 
 Yuan dem König erneut Vorschläge, indem er sagte: „Das Reich 
 Qin wird immer arroganter. Wenn es so weiter geht, werden wir in 
 eine gefährliche Situation geraten. Besser wollen wir jetzt begabte 
 Menschen anwerben, unsere Truppen trainieren und uns mit anderen 
 Fürsten zum Kampf gegen das Reich Qin vereinigen, ganz im Sinne 
 des verstorbenen Königs.“
Kaum wollte der König sprechen, da ergriff einer der anderen Berater
 das Wort: „Majestät, habt Ihr bemerkt, das Euch Qu Yuan Fehler vor-
 halten will? Er meint, es sei pietätlos, dass seine Majestät den Hass 
 des verstorbenen Königs auf das Reich Qin vergessen haben, und 
 es sei ein Zeichen von Untreue, dass die Minister nicht für den Kampf 
 gegen das Reich Qin einträten. Und er meint, das Reich Chu sei zur 
 Unterjochung verurteilt, dass es solch einen Monarchen und solche 
 Minister habe. Eure Majestät, meint ihr nicht, dass er Unsinn redet?“
Auch die anderen Minister stimmten zu und sagten Qu Yuan Schlechtes
 nach.
Der König hatte schon viele Beschwerden von üblen Gesellen über Qu
 Yuan gehört und war sehr ärgerlich. Jetzt, da er die Kritik der Minister
 hörte, wurde er umso mehr wütend. So befahl er, Qu Yuan seines Am-
 tes zu entheben und in den Süden Hunans zu verbannen.
Qu Yuan, der Land und Leute retten, das Land reich und die Truppen
 stark machen wollte, wurde als illoyaler Beamter gebrandmarkt und
 verjagt.
Qu Yuan erhoffte sich Reformen und geißelte in satirischen Gedichten
 Korruption, Selbstsucht und Geringschätzung des Volkes von Seiten
 fragwürdiger Gestalten, die hohe Stellungen erreichten. Tief beküm-
 mert über die Verhältnisse in seiner Heimat, durchquerte er jahrelang 
 die Gegend südlich des Changjiang (Yangtse-Stromes).
In dieser Zeit entstand Li Sao, eine lange autobiografische Dichtung, 
 in welcher Qu Yuan seine politischen Ideale sowie die Korruption und 
 Misswirtschaft am Hofe beschreibt.
Im Jahre 280 v.u.Z. griff Qin den Staat Chu mit einer großen Streitmacht
 an und eroberte 278 dessen Hauptstadt. Die Nachricht davon erreichte
 Qu Yuan, als er sich gerade am Ufer des Miluojiang (Miluo-Fluss) im
 nordöstlichen Hunan aufhielt. Dies war zu viel für ihn. So band er einen 
 großen Stein um seinen Körper und beendete mit einem großen Sprung 
 in den Fluss sein Leben.
Qu Yuans trauriges Schicksal brachte ihm die Achtung und Verehrung
 des Volkes.
QUELLENANGABEN - Geschichten aus den historischen Aufzeichnungen, Verlag für fremd- sprachige Literatur, Beijing (China) 2008, Seiten 155 + 157. - Sagen und Geschichten aus dem chinesischen Altertum (1), China im Aufbau, Beijing (China) 1985, Seiten 71 – 73.

