AUTOR: Josef Theobald
In Deutschland sind die englischen Frühsozialisten, wie Robert Owen
(1771-1858), weitgehend bekannter.
Auch In Deutschland gab es Frühsozialisten, wie Wilhelm Weitling, ein
uneheliches Kind einer Magd und eines französischen Offiziers. Dieser
lebte von 1808 bis 1871, aber vorwiegend im Exil. Als Damenschneider-
geselle ging er, wie damals üblich, auf Wanderschaft und mied Preußen,
da er eine Einberufung zum aktiven preußischen Heer fürchtete.
In Paris veröffentlichte er im Auftrag des „Bundes der Gerechten“ eine
Schrift mit dem Titel „Die Menschheit wie sie ist und wie sie sein sollte“
(1838). In ihr entwickelte er den Plan einer Gesellschaft, die auf dem
Nebeneinander einer streng gleichheitlichen Grundordnung mit allge-
meiner Arbeitspflicht und Gütergemeinschaft beruhte. [1]
Der „Bund der Gerechten“ war ursprünglich ein deutscher Ableger des
an babouvistischen Erinnerungen anknüpfenden französischen Arbei-
terkommunismus, der sich um die gleiche Zeit in Paris ausbildete. Hier
wurde die Gütergemeinschaft als notwendige Folgerung der Gleichheit
gefordert. Der Babouvismus war eine Richtung des utopischen Gleich-
heitskommunismus, die Ende des 18. Jahrhunderts von dem französi-
schen Revolutionär Gracchus (Francois Noel) Babeuf (1760-1797) und
seinen Anhängern begründet wurde.
Friedrich Engels schrieb im Oktober bis November 1843, dass Weitling
aus Magdeburg stammte. Dieser galt nach seiner Meinung als der Be-
gründer des deutschen Kommunismus. Nach einem längeren Aufent-
halt in Paris emigrierte er in die Schweiz, um dort in einem Schneider-
atelier in Genf zu arbeiten. Dort predigte er seinen Arbeitskollegen sein
Evangelium. Er bildete kommunistische Vereine in allen kleineren und
größeren Städten auf der schweizerischen Seite des Genfer Sees und
gewann die meisten Deutschen, die dort arbeiteten, für seine Ideen.
Nachdem er so den Kern seiner Bewegung in Genf und Umgebung ge-
schaffen hatte, ging er nach Zürich, wo einige seiner Freunde, genau
wie in anderen Städten der Nordschweiz, schon begonnen hatten, auf
die Arbeiter einzuwirken. Er begann nun, seine Partei in diesen Städten
zu organisieren. Unter der Bezeichnung „Gesangvereine“ wurden jene
Vereine zur Erörterung der sozialen Neugestaltung gebildet.
Wegen seiner politischen Aktivitäten geriet Weitling allerdings in die Kon-
frontation mit den Schweizer Behörden. Er wurde in Haft genommen und
seine Schriften nebst Unterlagen wurden beschlagnahmt. Eine gebildete
Kommission offenbarte, dass Weitling als Führer seiner Bewegung galt
und mit ähnlichen deutschen Vereinen in Paris und London in Kontakt
stand. Für die Schweizer Behörden galten diese Gesellschaften als ge-
fährlich und die vertretenen Lehren als utopisch. Die älteren Mitglieder
hatten durch ihre Wanderungen Kontakte nach Deutschland, Ungarn
und Italien.
Weitlings Bewegung konnte sich deshalb so rasch ausbreiten, da die
deutsche Sprache in Paris sehr verbreitet in seinem Geschäftszweig
war. So beherrschten die Schneider aus Norwegen, die in Paris an-
zutreffen waren, gut die deutsche Sprache, aber kein Französisch.
Von den Pariser Gemeinden bestanden 1847 zwei aus Schneidern
und eine aus Möbelschreinern. Nachdem Weitling aus der Schweiz
ausgewiesen wurde, ging er zunächst nach London. Hier wurde sein
Bund internationaler. In seinem Arbeiterverein fanden sich außer den
Deutschen und Schweizern auch Mitglieder aller jener Nationalitäten,
denen die deutsche Sprache vorwiegend als Verständigungsmittel mit
Ausländern diente, also namentlich Skandinavier, Holländer, Ungarn,
Tschechen, Südslaven, auch Russen und Elsässer.
Später nannte man sich in Kommunistischer Arbeiterbildungsverein
um. Hier reifte die Einsicht, dass jede Revolution, um siegreich zu
sein, europäisch sein müsse.
Die Mitglieder all dieser Vereinigungen waren ausschließlich Hand-
werker. Ihnen fehlten Persönlichkeiten, die Kenntnisse in Ökonomie
besaßen. Es ging den Mitgliedern hauptsächlich um die „Gleichheit“,
„Brüderlichkeit“ und „Gerechtigkeit“. [2]
In den späteren Jahren ging Weitling nach einem Zerwürfnis mit Marx
und Engels wie Owen in die USA. Dort gründete er eine Gewerbeaus-
tauschbank und eine kommunistische Siedlung. Als diese zusammen-
brachen, zog er sich gänzlich aus der Politik zurück.
Der Bezugspunkt der frühsozialistischen Lehren war überwiegend
noch eine landwirtschaftlich-handwerkliche Gesellschaft ohne die
spätere wesentlich hochentwickeltere Arbeitsteilung. Erst bei dem
Franzosen Etienne Cabet (1788-1856) und dem Deutschen Weitling,
also um etwa 1840, findet die Technisierung ihren Platz in der Ge-
sellschaftsordnung. [3]
hunderts, Akademie Verlag, Berlin 2002, Seite 441.
Arbeiterbewegung, Band 2: Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts,
Dietz Verlag, Berlin-Ost 1970, die Seiten 104, 105, 190, 192, 193
– 195 + 683.
