AUTOR: Josef Theobald
VORWORT
 Die älteste Deutsch-Sendung aus dem Ausland kam aus Moskau. Sie
 hatte ihre Premiere am 7. November 1929. Von den damaligen Feier-
 lichkeiten zum Tag der „Oktober-Revolution“ wurde nämlich an diesem
 Tag eine Direkt-Reportage in Deutsch gesendet. Das war die Geburts-
 stunde des Auslandsrundfunks der damaligen Sowjetunion. Dies war
 kein Zufall. Deutschland rückte damals verstärkt in den Blickwinkel der
 Weltrevolution. So war Deutschland den Herren im Kreml sehr wichtig
 gewesen. [1]
 Im Vergleich zu Deutschland hatte die Rundfunktechnik in Russland
 einen schweren Start. Die Spezialisten, die auf diesem Gebiet tätig
 waren, arbeiteten unter denkbar schwierigen Rahmenbedingungen.
 Denn man misstraute ihnen. Dabei ist vorwiegend an den Leiter des
 Radiolaboratoriums von Nishni-Nowgorod, Herrn Prof. M. A. Bontsch-
 Brujewitsch, zu denken. Nur dem persönlichen Eingreifen und der Un-
 terstützung W. I. Lenins war es zu verdanken, dass das Laboratorium
 weiter bestand und bei der Entwicklung des Rundfunks in der Sowjet-
 union große Bedeutung erlangen konnte. [2]
BEITRAG
 Am 07. November 1929 begannen über einen Langwellensender des
 sowjetischen Zentralrates der Gewerkschaften nun erste Sendungen
 in deutscher Sprache. Geprägt war das Programm vom gesprochenen
 Slogan „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ und schließlich vom
 Kampflied der internationalen Arbeiterbewegung „die Internationale“.
 Der sowjetische Historiker mit Namen Wladimir Ostrogorski unterstrich
 dabei, dass von jetzt an die Forderungen der „revolutionären Arbeiter“
 erfüllt seien.
 Erste kritische Stimmen in der bürgerlichen Rundfunkprogrammpresse
 kamen mit Verzögerung. Nach dem abgehaltenen vierten Kongress der
 „Roten Gewerkschaftsinternationale“ im März 1928 wurde plötzlich das
 Funkwesen als ein „machtvolles Mittel für .. Agitation, Propaganda, Kul-
 tur- und Aufklärungsarbeit“ gesehen. Es könne bei konkreten politischen
 Ereignissen, wie Streiks und Wahlen, eine wichtige Rolle spielen.
 So legte denn auch die Reichswehr nach wenigen Wochen einen ersten
 Bericht zum Thema „bolschewistische Rundfunkpropaganda in deutscher
 Sprache“ vor. Montags, mittwochs und samstags würden kommunistische
 Lieder, Rezitationen und Theaterstücke sowie antireligiöse Propagandavor-
 träge ausgestrahlt. Später wurden die Programme durch die Beantwortung
 von Hörerfragen und Gespräche mit Wissenschaftlern, Schriftstellern und
 Arbeitern aus Deutschland, die die Sowjetunion bereist hatten, bereichert.
 Zwei Monate nach Aufnahme der Sendungen aus Moskau sah sich die
 Presseabteilung beim Auswärtigen Amt gezwungen, beim Reichspost-
 ministerium anzufragen, ob der Moskauer Sender „mit den üblichen Pri-
 vatapparaten aufgefangen werden könne, so dass die Gefahr einer pro-
 pagandistischen Einwirkung auf weitere Kreise, insbesondere der Arbei-
 ter, besteht“. Auch die sozialdemokratische Presse und die Zeitungen
 der Mitte- und Rechtsparteien nahmen sich des Themas an. Denn diese
 hatten befürchtet, der Moskauer Sender werde weitere Unruhe im ohne-
 hin durch die heraufziehende Weltwirtschaftskrise geschüttelten Reich
 schüren. Diese Sorge war begründet. Durch die Reichstagswahl vom
 September 1930 wurde die KPD zur drittstärksten Partei. Man rechnete
 hier mit einem größeren Gewicht in der nahen Zukunft.
 Im Januar 1931 ergriff das Zentrumsorgan „Germania“ die Initiative und
 forderte in einem „Moskau im Radio“ überschriebenen Artikel „scharfe
 Maßnahmen“ gegen die „von der Sowjetregierung inszenierte Kommu-
 nistische Propaganda auf deutschem Boden“. So müsse sich die Reichs-
 regierung mit allen diplomatischen und politischen Mitteln gegen einen Zu-
 stand zur Wehr setzen, der des Reiches unwürdig sei. Zwei Monate später
 beschäftigte der Streit um die deutschsprachigen Sendungen aus Moskau
 auch das Reichstagsplenum, nachdem in Ausschussberatungen davon ge-
 sprochen wurde, der Gewerkschaftssender verstoße gegen internationale
 Verträge, die die Staaten zur Nichteinmischung in die inneren Angelegen-
 heiten eines anderen Staates verpflichteten. Der Vorsitzende der kommu-
 nistischen Fraktion, Ernst Torgler, entgegnete dagegen, dass Tausende
 und Abertausende von deutschen Arbeiterrundfunkhörern jene Vorträge
 des Moskauer Gewerkschaftssenders dem innerdeutschen Programm
 vorziehen würden. Der Rundfunk sei ein Instrument der herrschenden
 Klasse in Deutschland. So werde man nicht verhindern können, dass
 die Arbeiter mit Begeisterung und mit Freude sich die Vorträge vom
 besagten Gewerkschaftssender anhören würden. Denn hier würden
 die Dinge so dargestellt, wie sie seien und nicht so, wie man sie gern
 darstellen möchte, um die Arbeiter ruhig und friedlich zu erhalten in
 einer Zeit, wo man ihnen noch das letzte nähme. Reichspostminister
 Georg Schätzel von der Bayerischen Volkspartei wandte ein, dass es
 keinen Staat geben könne, der auf sein Leben und seine Existenz noch
 etwas gibt, wenn er sich von einem anderen Staat in derartiger Weise in
 seine inneren Verhältnisse hineingreifen lasse.
 Vorliegende Bündel von Abhörberichten aus der Reichskanzlei gaben
 fortan Anlass zu Gegenmaßnahmen. Denn mittlerweile wurde bei dem
 Moskauer Sender zu einem Kampf gegen die Sozialdemokratie und den
 faulen Kapitalismus aufgerufen. [3]  Folglich regte also die Zentrumsab-
 geordnete Helene Weber an, sich doch den Propagandaeifer Russlands
 zum Vorbild zu nehmen. Eine bisher erfolglose Demarche des deutschen
 Botschafters in Moskau, Herbert von Dirksen, im sowjetischen Außen-
 kommissariat kam zur Sprache. Es handele sich aber hier um einen
 russischen Gewerkschaftssender, der angeblich für die Deutschen
 der Wolgarepublik bestimmt sei, auf den die Sowjetregierung ohne-
 hin keinen Einfluss habe. Eine Runde in der Reichskanzlei beschloss
 neben Störaktionen Sendungen der Berliner Rundfunkgesellschaft, um
 „die deutsche Öffentlichkeit über die wahren Zustände in Russland auf-
 zuklären“.
 Im Juni 1931 begannen bei der „Deutschen Welle“ Vorträge unter dem
 Sendetitel „Bilder vom heutigen Russland“ unter Mitwirkung des Haupt-
 referenten, dem Regierungsrat im preußischen Staatsministerium mit
 Namen Herbert Weichmann, der die Sowjetunion zu dieser Zeit selbst
 bereist hatte. Ein deutscher Telegraphiesender störte die Reportage
 Egon Erwin Kischs vom Roten Platz am 07. September 1931. Im Ge-
 genzug überlagerte ein sowjetischer Störsender zeitweise den Sen-
 der Königswusterhausen, der die Programme der „Deutschen Welle“
 verbreitete. Diesen ersten deutsch-sowjetischen Ätherkrieg begleite-
 ten innerdeutsche Auseinandersetzungen, die fast bis zum Ende der
 Weimarer Republik anhielten. [4]
NACHTRAG
 Angesichts der Weltwirtschaftskrise entwickelte sich Deutschland immer
 mehr zu einem politischen Schauplatz radikaler Kräfte: nämlich auf der
 einen Seite die Rechtsradikalen unter dem Dach des Nationalsozialis-
 mus (NSDAP) und auf der anderen Seite die Linksradikalen unter dem
 Dach des Kommunismus (KPD). Daher wurden die gemäßigten Kräfte
 zunehmend in die Enge getrieben.
 Nicht nur die Nationalsozialisten hatten paramilitärische Einheiten, wie
 die SA mit 400.000 Mitgliedern. Auch die Kommunisten konnten sich
 auf den Rotfrontkämpferbund stützen, deren Mitgliederzahl auf etwa
 150.000 Mitgliedern geschätzt wurde. Die KPD sah in den National-
 sozialisten die Trabanten der „Diktatur der Bourgeoisie“. In Wirklich-
 keit wurde die Bourgeoisie zum Trabanten der NS-Diktatur. Demnach
 versuchte jede Seite, die Massen für sich zu gewinnen.
 Die Auflösung des Reichstages bot den Kommunisten eine neue Ge-
 legenheit zur außerparlamentarischen Aufrüttelung und Mobilisierung
 der ausgebeuteten Massen. Hier steht außer Frage, dass von nun an
 die Kommunisten einen entscheidenden Anteil hatten, dass die her-
 kömmlichen Formen der politischen Auseinandersetzung verlassen
 wurden. Kam es zunächst zu Schlägereien, bei denen auch Schüsse
 fielen, so endeten jedoch diese Auseinandersetzungen mit Aktionen
 von Terrorgruppen, die vor der einschreitenden Polizei keinen Halt
 machten. Die Freigabe der Straße für die SA habe schließlich die
 kommunistischen Terrorgruppen erneut dazu veranlasst, nun ihr
 Bestehen unter Beweis zu stellen.
 Bei den Reichspräsidentenwahlen im April 1932 (zweiter Wahl-
 gang) gewann der KPD-Kandidat Ernst Thälmann 10,2 % der
 abgegebenen Stimmen. Adolf Hitler gewann 36,8 %. Gewinner
 der Wahl war erneut Paul von Hindenburg, ein Kriegsheld des
 I. Weltkrieges, der als parteiloser Kandidat und Monarchist den
 Republikanern eher misstraute. [5]
 Daraus kann ersehen werden, dass die rechten Parteien und
 unabhängige Kandidaten doch einen eindeutigen Vorsprung
 hatten.
die bürgerliche Mitte aufgerieben. In den Novemberwahlen
büßten die Sozialdemokraten, insbesondere bei den jungen
Wählern, Stimmen ein. Denn sie waren für diese Gruppe von
Wählern nicht mehr attraktiv genug. Der linke Flügel der Partei
Vor allem zu Beginn der Weimarer Republik wurde den Sozial-
demokraten unter Philipp Scheidemann (1865-1939) auf der
kommunistischen Seite der Vorwurf gemacht, sie trügen bei
der einstigen Ermordung ihrer herausragenden Vertreter (Rosa
Luxemburg, Karl Liebknecht) eine Mitverantwortung. Denn diese
wurden im Januar 1919 nach dem Scheitern des Spartakusauf-
standes mit Hilfe von Freikorpssoldaten umgebracht. [7] Dies
ließ das Klima zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten
angespannt bleiben.
ANMERKUNGEN
[4] UNTER DER LUPE, Ideologie-Pfeile im Äther von Ansgar Diller
(Evangelischer Pressedienst <EPD>), abgedruckt im KURIER
der ADDX e. V. im Jahre 1979.

