AUTOR: Josef Theobald
Allein für die damalige Stadt Wallerfangen wurde nach dem Vergleich der Steuer-
 listen (1618 und 1638) ein Rückgang der Bevölkerung um 60 % festgestellt. Der
 Grund für die Entvölkerung unseres Raumes liegt allein nicht nur auf den hier an-
 zutreffenden direkten Kriegseinwirkungen, sondern ist vor allem auf die seit 1635 
 zu beobachtende jahrelang anhaltende Unterernährung, auf Seuchen, auf eine in
 dieser Zeit zu registrierende Abwanderungsbereitschaft und schließlich auf die für 
 Kriegszeiten üblichen Rekrutierungen zurückzuführen.
Für das Herzogtum Lothringen ist hier der Ausbruch der Pest in den Jahren 1630
 bis 1637 im Besonderen zu nennen.
Der Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion hatte mehrere Ursachen. Zum
 einen sorgte die Verknappung der Arbeitskräfte infolge der direkten Kriegsverluste
 oder der Seuchen und zum andern die Aussaugung des Landes infolge der durch 
 die Gesetze des Krieges bedingten Einquartierungen für diesen Zustand. Dazu 
 kam noch eine Requirierung des Zugviehes, des Saatgutes und auch der unreifen 
 grünen Halmfrüchte, sowie die Drangsalierung der meist militärisch ungeschützten
 Landbevölkerung. Dies brachte zeitweise die Feldarbeit zum Erliegen und schränkte
 sie in den übrigen Zeiten, insbesondere in den Jahren 1635 und 1651, stark ein. So
 kam es zu einer andauernden Hungersnot, die immer neue Opfer forderte. Die Not
 steigerte sich derart, dass mitunter die Bevölkerung Nachbarorte überfiel, wie z. B.
 die Bürger von Saarbrücken im August 1641 das Dorf Roden. Aufzeichnungen aus
 dem Kloster Wadgassen berichten sogar von einem Fall von Kannibalismus in dem
 heutigen Ortsteil Werbeln [1].
Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) ist kaum ein Dorf unbehelligt geblieben.
 Zahlreiche Dörfer lagen in Schutt und Asche und wurden erst nach Jahren wieder so 
 wie vorher besiedelt. Die landwirtschaftlich nutzbare Fläche hatte sich infolge der in
 den Vorjahren unterbliebenen Feldbestellung mit dem Resultat des Vordringens der
 Bewaldung erheblich verringert.
Aufgrund von Vergleichszahlen (1590 und 1667) bezüglich der Anzahl der Familien,
 Haushaltungen und Feuerstätten der Vor- und Nachkriegszeit miteinander, ergeben
 sich für das Amt Siersberg im Herzogtum Lothringen Verluste in Höhe von 72,8 %.
Dabei wäre anzumerken, dass die Angaben der Steuerlisten mit gewisser Vorsicht
 aufzunehmen sind, weil sich in den ersten Nachkriegsjahren die Bevölkerung bei
 der Aufstellung der Steuerlisten gerne der Registrierung entzog, so dass der real
 vorhandene Bevölkerungsstand etwas höher gewesen sein dürfte, als es die aus
 der ersten Zeit der Wiederingangsetzung einer geordneten fiskalischen Verwaltung
 vorzufindenden Quellen widerspiegeln.
Fest steht aber, dass die Zahl derjenigen, die bei Kampfhandlungen oder unter den
 Quälereien der entmenschlichten Soldateska den Tod fanden, geringer war, als die
 Opfer der anhaltenden Unterernährung und der auftretenden Seuchen. Weiterhin
 trugen auch die Rekrutierung der jüngeren männlichen Bevölkerung und eine fort-
 dauernde Abwanderung zum Bevölkerungsrückgang bei. [2]
Die Epidemien wurden durch die vielen Truppenbewegungen begünstigt und das
 System des Einflüchtens führte zu jenen zusammengedrängten Menschenmengen
 in den festen Plätzen, die den Seuchen die besten Angriffsflächen boten. So waren
 die von den Bevölkerungsverlusten am schwersten betroffen die Gebiete in einem
 Streifen von Nordosten nach dem Südwesten des Reiches hin, von Mecklenburg
 und Pommern über Thüringen in den pfälzischen und württembergischen Raum.
 Zwischen und neben ihnen liegen die Gebiete mit 30 % – 50 % Bevölkerungsver-
 lust: Brandenburg, Magdeburg, Hessen, Franken, Bayern, Schwaben, Elsaß und
 Lothringen. Dagegen blieben die österreichischen Erblande des Kaisers weithin
 verschont [3], so dass aus Tiroler Gebieten und aus dem Kanton Zürich in der
 Schweiz Umsiedler in das katholische Lothringen überführt werden konnten.
 Der Kanton Zürich gehörte noch im 14. Jahrhundert zu Österreich, sollte sich
 aber später immer mehr der Schweizer Eidgenossenschaft, vor allem nach der
 Züricher Mordnacht vom 23. 02. 1350, annähern. Nachdem 1656 Zürich in dem
 Verein mit Bern den Glaubenskrieg erneuerte, um ein Übergewicht der von den
 Katholiken bewohnten Orte zu verhindern [4], entschlossen sich einige Familien
 aus diesen Gebieten ebenfalls, in das katholische Lothringen überzusiedeln.
Nun stellt sich die Frage, wohin denn die Familien während des Dreißigjährigen
 Krieges abgewandert sind. Eine Erklärung gibt die Geschichte Rumäniens. So
 finden wir hier die Siebenbürger Sachsen, die sich seit dem 12. Jahrhundert auf 
 dem Gebiet des heutigen Siebenbürgens ansiedelten. Dazu kamen später noch 
 die Banater Schwaben, die von der Österreichischen Hofkammer seit dem Ende 
 des 17. Jahrhunderts aus verschiedenen Teilen Süddeutschlands und aus Teilen
 Lothringens in die nach den Türkenkriegen teilweise entvölkerte und verwüstete
 Pannonische Tiefebene entlang der Militärgrenze angesiedelt wurden. [5] Das
 Siedlungsgebiet war im Westen des heutigen Rumäniens, vor allem südlich von
 Marosch. Die überwiegende Mehrheit lebt im Kreis Timis, ein bedeutender Teil 
 im Kreis Arad und nur wenige im Kreis Caras-Severin. Die verbreitetste Mundart 
 ist das Rhein- und Moselfränkische. Die Bewohner stammen meist aus der Rhein- 
 pfalz, aus dem Gebiet von Elsass-Lothringen und zum Teil aus dem Schwarzwald. 
 [6] 
ANMERKUNGEN
 [1] Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes, Band 1, Minerva-Verlag Thinnes
 & Nolte, Saarbrücken 1978, Seite 264.
 [2] Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes, Band 2, erschienen im Selbst-
 verlag des Historischen Vereins für die Saargegend e. V., Saarbrücken 1977,
 Seiten 504 und 505.
 [3] Gerhard Schormann, Der Dreißigjährige Krieg, Kleine Vandenhoeck-Reihe,
 Vandenhoeck & Rupprecht, 3. Auflage, Göttingen 2004, Seiten 119 + 120.
 [4] Meyersches Konversationslexikon von 1905, Band 20, Seite 1023/24.
 [5] WIKIPEDIA: Banater Schwaben.
 [6] Monica Barcan / Adalbert Millitz, Die deutsche Nationalität in Rumänien,
 Kriterion Verlag, Bukarest 1977, Seiten 46 + 47.

