AUTOR: Josef Theobald
 Während im Mittelalter mit dem Begriff „Reformation“ lediglich die Wieder-
 herstellung der ursprünglichen Form gemeint war (bezogen vor allem auf
 die Erneuerung der Kirche), nannten sich im 16. Jahrhundert Erneuerung
 des Glaubens und katholische Erneuerungsbewegung „Reformation“.
 Im Vergleich zu den Reformbestrebungen, die sich schon seit Ende des
 14. Jahrhunderts abgezeichnet hatten, gilt die Reformation als Ereignis
 von größter Tragweite, Auswirkung und epochaler Bedeutung: Sie ver-
 änderte das politische, wirtschaftliche, soziale sowie das religiös-geistige
 Leben und führte schließlich zur Auflösung der Glaubenseinheit im Abend-
 land durch die „Glaubensspaltung“; nach der traditionellen Periodisierung
 der Weltgeschichte beginnt mit ihr eine neue Zeit – die Neuzeit. Ihren Aus-
 gang nahm die Reformation von den deutschen Landen und erfasste (oder
 berührte zumindest) in verschiedenen Ausprägungen ganz Europa.
 War allen Reformatoren gemeinsam zunächst die Absicht, die Reinheit des
 Urchristentums im Geist der Heiligen Schrift wiederherzustellen, ist die Re-
 formation der „leidenschaftliche Kampf“ der gesamten Kirchengeschichte um
 die wahre Gestalt des Christentums. Sie war wesentlich das Werk von Martin
 Luther (1483-1546), der im Spätjahr 1517 mit seinen Thesen hervorgetreten
 ist und sich dabei gegen die Praktiken des Ablass-Handels (den Geldablass)
 wandte, die im Zusammenhang mit dem Neubau der Peterskirche in Rom ge-
 übt wurden. Die rasche Ausbreitung und Festigung der reformatorischen Be-
 wegung waren aber nur möglich, weil sich im Spätmittelalter, auf dem Hinter-
 grund von Renaissance und Humanismus, die religiösen, geistesgeschicht-
 lichen und auch politischen Voraussetzungen dafür herausgebildet hatten.
 Hinter den äußerlich blühenden Formen der Frömmigkeit im vielfarbigen
 „Herbst des Mittelalters“ verbarg sich ein tiefes Unbehagen über die viel-
 fach verweltlichten und materialistisch betonten innerkirchlichen Zustände
 (auch außerhalb der römischen Kurie), ein echtes Bedürfnis nach religiöser
 Erneuerung, das sich nunmehr verstärkt bemerkbar machte und besonders
 im Jahrzehnt von 1520 bis 1530 sich mit aller Macht Bahn brach.
 Aus der Reformation gingen im Laufe der Zeit drei große Konfessionskirchen
 hervor: Zum ersten die evangelisch-lutherische Kirche, zum zweiten die refor-
 mierten Kirchen Calvins (mit Einschluss Zwinglis) und zum dritten die Anglika-
 nische Kirche (die Kirche von England). [1]
 Die wesentlichen Glaubenssätze Luthers waren „sola fide“ (Allein durch Glau-
 ben) und „sola scriptura“ (Allein durch die Schrift).
 Den Glaubensgrundsatz „sola fide“ entnahm er dem Römerbrief. In seiner
 Glosse zu Römer 1,17, wo es heißt „Der Gerechte wird seines Glaubens
 leben.“ bemerkt er: „‘aus Glauben‘: Aus dem angefangenen schwachen
 Glauben, fort in den starken. Denn der Glaube feiert nicht.“
 Aus dieser Auffassung entwickelte Luther nun seine Rechtfertigungslehre,
 die er aus Römer 9,30 hernahm, wo es heißt „Ich sage aber von der
 Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt.“ Hierzu bemerkt er: „‘An-
 laufens‘: Christus macht ohn Werke gerecht, dem glauben sie nicht.
 Also stoßen sie sich an ihm und ärgern sich.“ [2]   
 Hier hat Luther vor allem den äußerlichen Ceremonienkram im Blick,
 der damals hauptsächlich in der katholischen Kirche betrieben wurde.
 Im Gegenzug wollte er das wirkliche und ernste Christentum, bei der
 die Nächstenliebe im Vordergrund stand.
 Paulus hatte obigen Satz im Römerbrief „Der Gerechte wird seines
 Glaubens leben“ dem griechischen Text von Habakuk 2,4, der LXX
 (Septuaginta) entnommen. Hier ist vor allem an den Frommen ge-
 dacht, der trotz der Sterbenskrankheit seiner Seele im Leibe durch
 seinen Glauben am Leben bleibt. [3]
  
 In diesem Zusammenhang weisen die Alttestamentler daraufhin, dass
 hier auf die moralische Rechtschaffenheit angespielt wird. Ebenso gilt
 das Versprechen eines langen Lebens im Alten Testament immer den
 Israeliten (oder Israel) als Belohnung für Treue zu Jahwe. Die „Stand-
 haftigkeit“, die den Gerechten auszeichnet, bezieht sich auf die Erwar-
 tung in der Erfüllung der Weissagung, die in Habakuk 2,3 gefordert ist.
 Meist wird ein „religiöses Verhalten des unerschütterlichen Vertrauens“
 vorausgesetzt. Andere reden von einem entsprechenden Verhalten, das
 Wahrhaftigkeit, Treue, Verlässlichkeit und Beständigkeit einschließt. Eine
 andere Erklärung geht davon aus, dass der Gerechte lebt, d. h. dem von
 seinen Gegnern beantragten Todesurteil entgeht, aufgrund seiner uner-
 schütterten Treue zu Gottes Gebot. [4]  
 Besonderen Einfluss hatten auch die reformatorischen Bewegungen, die
 aus der Hussitenbewegung des 15. Jahrhunderts hervorgegangen sind.
 Hier sind zum einen zu nennen die Böhmischen Brüder und zum anderen
 die Mennoniten.
geschichte), Verlag C. H. Beck, München 2008, Seiten 347 + 348.
Martin Luthers für Leser von heute, Friedrich Wittig Verlag, Hamburg
1982.
Sprachliches und Sachliches), Fünfter Band: Ezechiel und die kleinen
Propheten, Georg Olms Verlagsbuchhandlung, Hildesheim 1968, die
Seite 302.
Jöcken, Peter Hanstein Verlag, Köln-Bonn 1977, die Seiten 29 + 30.

